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Informations-Page

für die Benutzerinnen und Benutzer
des Folien-Sets zu Haus- und Familienarbeit und Gesellschaft


Inhalt

1. Literatur zur Erwachsenenbildung und zum Arbeiten mit Gruppen
2. Genauere Erläuterungen zu den Modellen und Massnahmen (Foliengruppe 8)






1. Literatur zur Erwachsenenbildung und zum Arbeiten mit Gruppen

Karlheinz Geissler ist bescheiden, sehr kompetent und hat ein überzeugendes Menschenbild in seinem erwachsenenbildnerischen Ansatz. Seine Bücher sind sehr leicht zu lesen, spannend und bringen Leute, die andern Informationen vermitteln wollen, wirklich weiter. Ulrich Lipp und Hermann Will erklären, warum das meiste, was heute «Workshop» heisst, kein Workschop ist und wie spannende Workschops aussehen können.

 

Geissler, Karlheinz A. Anfangssituationen: was man tun und besser lassen sollte. Weinheim. Beltz 2000

Geissler, Karlheinz A. Schlusssituationen: die Suche nach dem guten Ende. Weinheim. Beltz 2000

Lipp, Ulrich; Will, Hermann. Das grosse Workshop-Buch: Konzeption, Inszenierung und Moderation von Klausuren, Besprechungen und Seminaren. Weinheim. Beltz 2000


 



2. Genauere Erläuterungen zu den Modellen und Massnahmen (Foliengruppe 8)

Im Folien-Set im Begleittext zur Folien-Gruppe 8 konnten die Mehrzahl der Modelle und Massnahmen nur genannt, nicht aber beschrieben werden. Sie finden hier eine vollständige Beschreibung der Modelle und Massnahmen und ihrer Bewertung, damit Sie den «HausArbeitsPolitik-Baum» ganz erklären können. Der Text ist dem Buch «HausArbeitsEthik» entnommen, wo auch weitere Informationen und weiterführende Literaturangaben zu finden sind. Auch die Seitenzahlen-Verweise beziehen sich auf dieses Buch (ISBN 3-7253-0682-6).

 





Modell 1: Angemessene Einschätzung des Wertes der Haus- und Familienarbeit in der Allgemeinheit
Haus- und Familienarbeit erhält die angemessene Anerkennung als gesellschaftlich notwendige Arbeit, prinzipiell mit allen zugehörigen Konsequenzen.


Kurzbewertung
Dieses Modell realisiert insbesondere die Leitlinie LL. Wie sich dieses Modell auf die Gleichstellung auswirkt ist allerdings unsicher, insbesondere wenn keine entsprechenden flankierenden Massnahmen ergriffen werden. Eine Aufwertung der Haus- und Familienarbeit kann ihre Attraktivität als Arbeits- und Lebensbereich für Männer verstärken, kann aber auch eine «Befriedung» der Frauen unter Beibehaltung der geschlechterstereotypischen Arbeitsteilung bedeuten.


Sinnvolle Massnahmenkombinationen
Dementsprechend sind hier vor allem Kombinationen mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern wesentlich.





Massnahme 1: Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit
in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Die gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit wird für die nationale Buchhaltung erhoben und im Bruttosozialprodukt oder mit diesem vergleichbar dargestellt. Dabei werden die Verfahren zur Berechnung dieser Wertschöpfung zunehmend verbessert, sodass die Leistung der Haus- und Familienarbeit nach Quantität und Qualität (Qualifikationsanforderungen) möglichst präzise erfasst wird.


Bewertung der Massnahme 1
LG LK LL LB LP LA LF Total:
+ 0 ++ 0 + ++ 0 +
Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.


Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme vermindert nicht direkt die Diskriminierung der Frau als Frau, sondern speziell der Frau als Hausfrau, daneben aber prinzipiell auch die des Hausmannes. Gleichgestellt werden hier nicht die Frau und der Mann, sondern gleichgestellt wird hier in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Haus- und Familienarbeit mit der Erwerbsarbeit. Es handelt sich um eine Gleichstellung sozialisiert(!)-«weiblicher» Leistung. Diese Massnahme stärkt die Position der Hausfrauen, aber nicht die Position der Berufsfrauen als solche. Diese Massnahme ist daher zunächst nicht als geschlechtergleichstellend zu bezeichnen.
    Sie schafft aber Voraussetzungen für eine wesentlich tiefergehende Geschlechtergleichstellung, als wir sie bisher erlebt haben, wenn sie dazu beiträgt, mit der gesamtgesellschaftlich relevanten Aufgabe der Haus- und Familienarbeit als Gesellschaft bewusst umzugehen, und nicht unter der Hand diese Arbeit den Frauen zusätzlich aufzubürden und sie damit – unter anderem beruflich – entscheidend zu behindern. Diese Massnahme wirkt eminent gleichstellend, sobald sie kombiniert wird mit einer Entkoppelung von Frau und Hausarbeit im Bewusstsein der Allgemeinheit.
  • Die Kinder bleiben in der Objektposition. Immerhin erscheint ihre Förderung und Unterstützung als Leistung.
  • Diese Massnahme ist eine direkte Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit.
  • Strukturelle Bedingungen der Quantität und Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen werden kaum verändert. Jedoch kann die Aufwertung bisher «weiblicher» Leistungen zur Verminderung des Beziehungsgefälles zwischen den Geschlechtern beitragen.
  • Ein Einbezug der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dürfte die oben (unter 3.4.3 ab Seite 107) besprochene Beeinträchtigung des Selbstwertes der Hausfrauen und Hausmänner vermindern. Ausserdem kann diese Massnahme dazu beitragen, dass Männer Bedeutung und Arbeitsumfang der Haus- und Familienarbeit, die sie selber konsumieren, realisieren können, da diese in einer objektivierten Form dargestellt wird. Reflexionen über die individuelle Bedeutung der Versorgung mit Haus- und Familienarbeit können angestossen werden. Solche Reflexionen über emotionale und lebenspraktische Versorgung vermitteln wesentliche Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung.
  • Diese Massnahme trägt sehr zur Verbreitung eines sachgerecht erweiterten Arbeitsbegriffes bei.
  • Diese Massnahme tangiert die Formen des Zusammenlebens wenig. Immerhin wird Haus- und Familienarbeit als Leistung unabhängig von Familienformen anerkannt und werden indirekt möglicherweise Beziehungsgefälle zwischen den Geschlechtern ausgeglichen. Doch wurden diese Wirkungen oben bereits bewertet.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Eine neue Zahl in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist zunächst einfach eine Zahl. Es ist wichtig, diese Massnahme mit Massnahmen zu kombinieren, welche aufzeigen, was für Leistungen hinter dieser Zahl stehen. Dazu gehören «Quermodell 1: Einflussnahme auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1 ab Seite 538) und «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542).
    Zweitens ist die Kombination mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit wichtig, weil sonst die Gefahr einer Verstärkung der Geschlechterstereotypen durch eine Aufwertung von «weiblichen» Leistungen bei Frauen besteht. Schon scheint sich nämlich der Kurzbegriff «Frauen-BIP» (Österreichisches Statistisches Zentralamt 1996, Titelblatt!) einzubürgern, was ein recht katastrophaler Missgriff ist. Besonders geeignet für eine Kombination mit dieser Massnahme sind Massnahmen wie «Quotierung von Haus- und Familienarbeit Leistenden in politischen Gremien» (siehe unter 5.5.3.3 ab Seite 445), «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452).
    Drittens sollte diese Massnahme nicht mit finanziellen Forderungen gekoppelt werden. Sonst besteht das Risiko, dass keine sachlich unbelastete Diskussion über die angemessene Berechnung der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit mehr möglich ist. Hingegen wäre es wünschenswert, gleichzeitig den Aufbau einer Lobby der Haus- und Familienarbeit voranzubringen (siehe unter 5.2.2 ab Seite 375).





    Massnahme 2: Bildung einer starken Lobby
    Die entsprechenden bestehenden Institutionen werden zu einer starken Lobby der Hausfrauen und Hausmänner verbunden. Sie vertritt ihre Interessen an verschiedenen Stellen und lanciert eigene Projekte. Sie berät Hausfrauen und Hausmänner.


    Bewertung der Massnahme 2
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    0 0 ++ + + + + +
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Einerseits führt die mit dieser Massnahme verbundene Aufwertung der Haus- und Familienarbeit zu mehr Anerkunnung besonders für Frauen, die ja bisher den Grossteil der Haus- und Familienarbeit leisten. Zugleich gewinnen Frauen hier aber spezifisch als Hausfrauen. Angenommen – und dies ist doch sehr wahrscheinlich –, dass diese Lobby weit überwiegend aus Frauen besteht, so entsteht ein Zug zur Verfestigung von Geschlechterrollen (viel mehr als bei der ersten Massnahme oben). Diese Massnahme bedarf daher unbedingt der Flankierung durch contrageschlechterdissoziative Massnahmen.
  • Diese Massnahme wertet zwar die familiale Arbeit mit Kindern und so indirekt auch die Kinder auf. Aber diese Massnahme operiert so sehr aus der Optik der Erwachsenen alleine, dass auf diese Art kaum Veränderungen von (Familien-) Strukturen zugunsten von Kindern zu erwarten sind.
  • Mit dieser Massnahme wird direkt auf eine sachgerechte Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit hingearbeitet.
  • Familien- und Nachbarschafts- und andere Beziehungsstrukturen werden kaum tangiert. Sollte es allerdings gelingen, ähnlich wie in manchen anderen Interesseverbänden den Kontakt unter den durch ihre gemeinsamen Interessen verbundenen Personen so zu intensivieren, dass dieser über die funktionale Kooperation hinaus auch zu persönlicher Zusammenarbeit und Beziehungen führt, so wäre darin ein interessanter Ansatz zur Überwindung der besondersartigen Isolation (s.o. unter 3.4.1 ab Seite 101) der Hausfrauen und Hausmänner zu sehen.
  • Da diese Massnahme geeignet ist, den Selbstwertzerfall im Zusammenhang mit der Haus- und Familienarbeit (Költsch Ruh 1997, 118; vgl. oben unter 3.4.3 ab Seite 107) zu vermindern, vermindert sie die entsprechenden nachteiligen Persönlichkeitsentwicklungen. Ausserdem kann die Thematisierung von Haus- und Familienarbeit als Arbeit, kann das Verständnis der zugehörigen Fähigkeiten als Qualifikationen und kann die Reflexion der Tatsache, tagtäglich Haus- und Familienarbeit zu konsumieren, die Sensibilität von Männern für Nachteile der «männlichen» Sozialisation sachgerecht stärken und damit Grundlage für entsprechende Ergänzungen der Persönlichkeitsentwicklung bieten. Die anzunehmende Verfestigung der Geschlechterrollen (siehe oben bei der Bewertung zur Geschlechter-gleichheit) setzt diesen positiven Wirkungen allerdings Grenzen.
  • Der Arbeitsbegriff wird entscheidend zurechtgerückt. Allerdings wird durch die im Rahmen dieser Massnahme durchaus richtige Frontstellung einer Lobby der Haus- und Familienarbeit gegenüber den verschiedenen Lobbys der Erwerbsarbeit nicht so sehr ein integraler Begriff von Arbeit, der etwa Haus- und Familienarbeit gleichermassen wie Erwerbsarbeit und potenziell auch mit ihr synergetisch umfasst, gefördert werden können, wie das etwa ein gleichartiger Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (siehe oben) aussagt.
  • Diese Massnahme dürfte kaum Einfluss auf Familienstrukturen und Familienbeziehungen haben (siehe oben zur Geschlechtergleichheit und zu den ethischen Kinderrechten). Allerdings dürfte wegen der Konzentration auf die Leistung der Haus- und Familienarbeit die Gleichbehandlung unterschiedlicher Familienformen weiter vorangebracht werden. Namentlich Ein-Eltern-Familien werden mit Zwei-Eltern-Familien unterschiedslos durch diese Lobby vertreten, und die beiden Familientypen werden potenziell auch miteinander in Beziehung gesetzt (vgl. oben bei der Bewertung zur Beziehungsförderlichkeit).


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese Massnahme sollte zeitgleich mit Massnahmen zur Realisierung von Geschlechtergleichheit (hier besonders sinnvoll ist die Massnahme «von der Femalie zur Manilie» siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455) und zur Anerkennung von Rechten und Bedürfnissen von Kindern (siehe unter 5.10 ab Seite 502) realisiert werden. Dabei sollte kein verbindlicher Kontakt dieser zeitgleichen Massnahmen mit der Massnahme des Lobbying für Haus- und Familienarbeit vorgesehen sein, damit diese Lobby ihre spezifischen Ziele effizient verfolgen kann, ohne schon selber Kompromisse eingehen zu müssen.





    Massnahme 3: Förderung nicht erwerbsarbeitszentrierter Identitätsbildungen
    Im Umgang mit Erwerbsarbeitslosigkeit und Erwerbsarbeitslosen wird zunehmend Distanz genommen zu Konzepten, welche die «berufsfixierte Lebenspraxis» unangetastet lassen oder noch verstärken. Stattdessen werden Richtungen eingeschlagen, die «eigensinnige Lebenskonstruktionen» und damit auch weitere und sachgerechte Konstruktionen des Arbeitsbegriffes unterstützen. Dies impliziert veränderte Zielsetzungen in der Beratung von Erwerbsarbeitslosen sowie strukturelle Veränderungen, welche Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit (u.a. materiell) sinnvoll ermöglichen.


    Kurzbewertung
    Die verschiedenen Massnahmen zur sachgerechten Aufwertung der Haus- und Familienarbeit kämp-fen mit der noch weit verbreiteten, aber sachlich fragwürdigen Wertedominanz der Erwerbsarbeit. Eine kritische Relativierung dieser Hochwertung, wie sie durch diese Massnahme hier geschieht, kann vor allem wesentlich zu einer angemessenen Wertung von Haus- und Familienarbeit im Verhältnis zur Erwerbsarbeit (LL) beitragen und schafft Offenheit für die Bildung stimmigerer Arbeitsbegriffe für den Alltag (LA) und selbstbestimmter, stabiler Persönlichkeitsentwicklungen (LP).


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Eine wesentliche Bedeutung für die Haus- und Familienarbeit erhält diese Massnahme erst in Kombination mit Massnahmen, welche geeignet sind, eine angemessene Bewertung der Haus- und Familienarbeit zu vermitteln – sowohl quantitativ (dazu hier besonders geeignet ist die Massnahme «Erziehungsgehalt», siehe unter 5.3.3 ab Seite 395) als auch qualitativ (dazu hier besonders geeignet ist die Massnahme «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit», siehe unter 5.11.6 ab Seite 520). Ohne solche Kombinationen besteht die Gefahr, dass Haus- und Familienarbeit als «Freizeitbetätigung» betrachtet wird und ihre elementare gesellschaftliche Bedeutung ausser Betracht bleibt.





    Massnahme 4: Betreuungsleistungsabhängige Geschlechtsnamensgebung
    Radikale Variante:
    Es wird eine gesetzliche Regelung eingeführt, nach der ein Kind den Geschlechtsnamen denjenigen Elternteiles trägt, der die Betreuungs- und Erziehungsarbeit überwiegend leistet.
    Gemässigte Variante:
    Es wird eine gesetzliche Regelung eingeführt, wonach eine Festlegung des Geschlechtsnamens nach dem Kriterium der Betreuungs- und Erziehungsarbeitsleistung automatisch dann in Kraft tritt, wenn verheiratete Eltern nicht denselben Namen führen und bis zur Geburt des Kindes nicht gemeinsam einen ihrer beiden Geschlechtsnamen für das Kind bestimmen.


    Kurzbewertung
    Diese Massnahme wertet die Haus- und Familienarbeit deutlich auf (Leitlinie LL, daneben auch LA), trägt zu partnerschaftlicheren Verhältnissen unter den Eltern bei (LG, daneben auch LB und LF) und verbessert die Position des Kindes (LK).


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Dieser äussere Anreiz für die Beteiligung der Männer an der Reproduktionsarbeit ist sinnvoll zu ergänzen durch Massnahmen, welche die personale Selbständigkeit der Männer gegenüber vorgegebenen Rollen fördern. Hier besonders in Frage kommen «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) und das «Initiativprojekt der Gesellschaft für eine gerechte Arbeitsverteilung» (siehe unter 5.5.3.2 ab Seite 442).





    Massnahme 5: Vom «Muttertag» zum «Tag der Haus- und Familienarbeit»
    Mit dem «Muttertag» wird ein «Tag der Haus- und Familienarbeit» gefeiert. Persönlich-private Dankbarkeit und politisch-strukturelle Anerkennung werden gleichzeitig unternommen. Einige Veranstaltungselemente für einen «Tag der Haus- und Familienarbeit» können mutatis mutandis vom «Tag der Arbeit» (welcher nun präziser in einen «Tag der Erwerbsarbeit» umzubenennen ist) übernommen werden.


    Kurzbewertung
    Diese Massnahme bindet emotional-verbale Anerkennung an eine strukturwirksame, sachgerechte Bewertung der Haus- und Familienarbeit (vgl. Leitlinie LL; zur Unterscheidung zwischen strukturell wirksamer und strukturell nicht wirksamer Anerkennung vgl. oben unter 3.5.6.1 ab Seite 119). Sie ist geeignet, typische Zweideutigkeiten der Geschlechterverhältnisse deutlich zu machen (Leitlinie LB und LP) und bietet ein jährliches Podium für jeweils aktuelle Denk- und Handlungsschritte, schafft eine Tradition, welche die Thematik wachhält, wie das der 1. Mai für die Erwerbsarbeit bietet.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese Massnahme verbindet sich problemlos mit jeder anderen sinnvollen Massnahme, behält aber auch unabhängig von anderen Massnahmen ihren Wert. Am ehesten wünschenswert wäre eine Kombination dieser zumindest zu einem beachtlichen Teil «symbolischen» und im Jahresablauf punktuellen Massnahme mit einer handfesten finanziellen Massnahme, also z.B. dem «Erziehungsgehalt» (siehe unter 5.3.3 ab Seite 395), dann mit einer auf das Denken kontinuierlich wirksamen Massnahme, etwa mit der «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule» (siehe unter 5.13.1.2 ab Seite 540) und/oder mit dem «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542).





    Modell 2: (staatliche) Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit bzw. für Erziehungs- und Betreuungsarbeit
    Die Arbeit der Hausfrauen und Hausmänner wird – in welcher Form und in welchem Mass auch immer – entschädigt.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Aufwertung der Haus- und Familienarbeit (Modell 1). Auch hier besteht dieselbe Ambivalenz hinsichtlich der Ungleichverteilung der Haus- und Familienarbeit: Ohne flankierende Massnahmen läuft jede Aufwertung der Haus- und Familienarbeit Gefahr, Geschlechterrollen noch zu festigen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Dementsprechend ist auch hier die Kombination mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.5 ab Seite 422) wesentlich.





    Massnahme 6: Bezahlung von Erziehungs- und Betreuungsarbeit sowie von Alterspflegeleistungen in Familien
    Betreuungsarbeit an Personen, die sich nicht selbst entsprechend versorgen können, werden entschädigt. Zu diesen Personen zählen namentlich Kinder, Alte und Kranke. Die Einzelheiten der Bezahlung sind so auszuarbeiten, dass sie zu der erbrachten Leistung in einem angemessenen Verhältnis stehen.
    Dies könnte beispielsweise folgendermassen ausgeführt werden:
    Betreuung und Erziehungsarbeit an Kindern wird aus öffentlichen Geldern direkt bezahlt unter angemessener Beteiligung der Wirtschaft (die durch diese Arbeit ja letztlich mit Arbeitskräften versorgt wird). Die Gelder dürfen von den Empfängerinnen und Empfängern durchaus auch zur Bezahlung von weiteren Personen und Institutionen, die sich an der Betreuungsarbeit beteiligen, verwendet werden und werden unabhängig von einer allfälligen Erwerbstätigkeit der EmpfängerInnen ausbezahlt. Die Höhe der Bezahlung misst sich zunächst an einer monetären Bewertung der Betreuungs- und Erziehungsarbeit nach arbeitswissenschaftlichen Kriterien (vgl. unten unter 5.11.6 ab Seite 520). Diese Höhe wird dann pauschal je nach Alter des Kindes ausbezahlt, ungeachtet der Einzelsituation, wo evtl. mehr oder weniger Arbeit anfällt.
    Die Betreuungsarbeit und allenfalls auch therapeutische Arbeit an Alten und Kranken, die privat, heute zumeist im Rahmen von Verwandtschaftsbeziehungen erbracht wird, wird in Spitexkonzepte integriert. Die Höhe der Bezahlung misst sich zunächst daran, welche finanziellen Einsparungen diese Arbeiten dem Gesundheitswesen bringen. Hierbei wird die Bezahlung im Einzelfall berechnet, je nach dem, welche Leistungen konkret erbracht werden müssen. Die Erfassung dieser notwendigen Betreuungs- und Pflegeleistungen geschieht nach einem möglichst einfachen Schema, das nicht in allen Details dem Einzelfall genau gerecht werden muss, aber eine gute Annäherung an den notwendigen Arbeitsaufwand bietet.
    Für beide Bezahlungsarten, diejenige für Betreuungsarbeiten an Kindern wie diejenige für Betreuungsarbeiten an Alten und Kranken, gelten die so erfassten Bezahlungshöhen als erste Bemessungsgrundlage. Dieser Betrag wird mit einem Faktor multipliziert, der kleiner oder grösser als 1 sein kann. Dieser Faktor wird jeweils für eine bestimmte Zeit festgelegt und kann für die beiden Bezahlungsarten unterschiedlich sein. Dieser Faktor drückt aus, wie sehr die Gesellschaft als Ganzes im Moment Interesse an einer Steigerung (beispielsweise zur langfristigen Sicherung der Finanzierung der AHV) oder Senkung der Geburtenrate hat bzw. wie sehr die Gesellschaft an privater Betreuungs- und Pflegearbeit für Alte und Kranke Interesse hat (etwa weil damit die soziale Integration und damit der Krankheitsverlauf besser sind) oder Betreuungs- und Pflegearbeit an Alten und Kranken doch lieber ausserfamiliär institutionalisiert getätigt sehen möchte.
    Bewertung der Massnahme 6
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + + ++ ++ ++ ++ ++ ++
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme ist keine direkte Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Jedoch wird die Diskriminierung von solcher Arbeit, die bisher überwiegend den Frauen zugeteilt wurde, zu einem beachtlichen Teil aufgehoben. Es wird damit nicht eine Gleichheit im Sinne des integrativen Feminismus (siehe oben unter 4.4.2.4.2 ab Seite 261) hergestellt. Der Druck zur integrativen Gleichheit der Frauen, namentlich zur Erwerbstätigkeit, wird sogar vermindert. Dennoch entsteht eine Verbesserung der Gleichheitssituation, da die Bereiche von Erwerbsarbeit und von Haus- und Familienarbeit sachgerecht angeglichen werden (siehe unten). Die Durchlässigkeit vom Erwerbsbereich zum Bereich der Haus- und Familienarbeit kann so auch für Männer verbessert werden.
  • Mit dieser Massnahme wird vor allem die Arbeit mit Kindern, werden weniger aber die Kinder selber, ins Zentrum gerückt. Dennoch erfahren ihre Bedürfnisse eine Aufwertung. Vor allem wenn mit dieser Massnahme der Zusammenhang zwischen dem Aufziehen von Kindern und dem Interesse der Wirtschaft an Arbeitskräften transparenter gemacht wird, können Kinder eine gefestigtere Position erhalten. Die Kinder bleiben zwar auch hier in einer Objektposition, doch geschieht die Aufwertung der Arbeit mit ihnen in einer Art und einem Mass, welches indirekt ihre Lebensbedingungen deutlich verbessern dürfte.
  • Leistungsanerkennung hinsichtlich der Haus- und Familienarbeit findet mit dieser Massnahme optimal statt.
    Mit Faulstich-Wieland, Schreiber und Süssmuth bin ich der Meinung, dass von den drei Varianten «Lohn für Hausarbeit», «Basislohn für Frauen» und «Bezahlung von Betreuungsarbeit an Personen, die sich nicht selbst entsprechend versorgen können» die letzte, die hier als Massnahme vorgestellt wird, die beste ist.
    Doch ist auch das Konzept des «Lohnes für Hausarbeit» zu unterstützen. Die damit zusammenhängenden Überlegungen rund um die Tatsache, dass Mehrwertproduktion nur dank der unbezahlten Regenerations- und vor allem Reproduktionsarbeit möglich ist, sollten weiter vertieft werden: Über die Feststellung hinaus, dass eine angemessene Bezahlung dieser Arbeiten unsere Marktwirtschaft zum Kollabieren brächte – obwohl die Forderung nach Bezahlung dieser Arbeit innerhalb der marktwirtschaftlichen Logik durchaus einleuchtet – wäre genauer zu formulieren, wie denn eine Wirtschaft aussähe, die der Funktion und Bedeutung von Regenerations- und Reproduktionsarbeit gerecht wird.
    Letztlich halte ich aber das Ziel, dass jede erwachsene Person die Verantwortung für die eigene Regeneration selber wahrnimmt, für entscheidend besser als die Bezahlung von Hausarbeit für Erwachsene.
  • Die Einseitigkeiten zwischen Betreuten und Betreuenden werden strukturell vermindert. Die Leistung der Betreuenden wird offen anerkannt und bezahlt, die Betreuten stehen damit nicht mehr in persönlicher Schuld gegenüber den Betreuenden. Die Betreuten haben sogar in einem gewissen Mass die Möglichkeit, andere Betreuende zu suchen, da dann diese die Bezahlung erhalten. Beziehungsqualitäten werden damit deutlich verbessert.
  • Aus denselben Gründen ist die Selbständigkeitsentwicklung für alle Beteiligten besser. Ausserdem wird hier wie bei anderen Massnahmen, welche die Haus- und Familienarbeit aufwerten, die Beeinträchtigung des Selbstwertes der Hausfrauen und Hausmänner vermindert.
  • Es entsteht ein wesentlich verbessertes Feld menschlichen Arbeitens, in dem sich die Einzelnen freier bewegen können. Geschlechtsspezifische Zuweisungen werden durchlässiger und es ergibt sich eine ganzheitlichere Sicht von Arbeit.
  • Auch Familienformen können freier gewählt werden. Sie enthalten weniger Machtgefälle und dementsprechend weniger Gewaltrisiko.


    Option
    Der Faktor für die Festlegung der Bezahlungshöhe könnte für die Geschlechter unterschiedlich angesetzt werden, um das Engagement der Männer im Bereich der Haus- und Familienarbeit stärker zu fördern. Voraussetzung wäre, dass Kriterien gefunden werden, an denen einfach überprüft werden kann, ob tatsächlich diese Männer dieses Engagement erbringen. Andernfalls bestünde ein gewisses Missbrauchsrisiko, dessen negative Auswirkungen aber allenfalls auch vernachlässigbar wären.
    Richtigerweise müssen dann aber auch in Erwerbsarbeitsbranchen und -etagen mit Männerüberschuss entsprechend höhere Löhne an Frauen bezahlt werden, um auch hier contrageschlechtersegregativ zu wirken. Sonst wäre die Folge dieser Option, dass die Frauen nun mit Erwerbsarbeit und mit Haus- und Familienarbeit weniger verdienen als die Männer.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Als Massnahme zur Aufwertung der Haus- und Familienarbeit muss diese Massnahme mit geeigneten Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit kombiniert werden, um eine Verstärkung von Geschlechterstereotypen zu verhindern. Besonders geeignet sind hier das «Initiativprojekt der Gesellschaft für eine gerechte Arbeitsverteilung» (siehe unter 5.5.3.2 ab Seite 442) und die «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447). Ausserdem können Massnahmen zur Vereinbarkeit wesentlich sein, hier besonders «Gesetzlich geregelte Beurlaubungs- und Teilzeitarbeitsmöglichkeiten für Personen mit Kindererziehungs- und Betreuungsaufgaben» (siehe unter 5.11.2 ab Seite 513) und «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit» (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520).





    Massnahme 7: Auszahlung von Kleinkinder-Betreuungsbeiträgen
    Es werden maximal 2000 Franken pro Monat an Eltern mit niedrigem Einkommen bezahlt, sofern das jüngste Kind noch nicht zwei Jahre alt ist und nicht mehr als fünf Halbtage in der Woche in einer Krippe betreut wird. In Zwei-Eltern-Familien gilt zudem die Bedingung, dass die Eltern insgesamt mindestens 100, maximal aber 150 Stellenprozente mit Erwerbsarbeit oder Ausbildung belegen.


    Bewertung der Massnahme 7
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + (+) + ++ + + ++ ++ +
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Dieses Gesetz ist an keiner Stelle geschlechtsspezifisch. Von Vätern wird genauso ausgegangen wie von Müttern, sogar was die Betreuung eines Kindes unmittelbar nach der Geburt betrifft. Das Gesetz selber impliziert somit geschlechteregalitäre Normen, sieht aber selber auch keine Vorkehrungen gegen die überkommenen, geschlechtsspezifischen Rollenteilungen vor: Unter den Bezügern sind sehr viel weniger alleinerziehende Männer als alleinerziehende Frauen. Dies hat allerdings andere Gründe als dieses Gesetz. Nach Holz (1992) kann eine Bezahlung von Reproduktionsarbeit in Form eines wirklich angemessenen Erziehungsgeldes sogar dazu beitragen, «Frauen [...] nicht auf ihre biologische Rolle festzulegen». Inwieweit dies tatsächlich geschieht, wäre zu untersuchen.
  • Diese Massnahme belässt das Kind zwar in der Objektposition. Allerdings vertritt es das Interesse der Kinder an konstanten Bezugspersonen.
  • Diese Betreuungsbeiträge werden ganz gezielt nur für die ersten beiden Lebensjahre eines Kindes ausbezahlt. Das ist zu wenig, denn auch nachher muss Reproduktionsarbeit geleistet werden, und auch nachher ist diese Arbeit eine Leistung im Interesse der Allgemeinheit. Doch immerhin gibt das Gesetz nicht vor, mehr zu sein als es ist. Es wird nicht versucht, einen Lohn für Hausarbeit zu bezahlen – dieser wäre bei leistungsgerechter Bezahlung ein Mehrfaches des hier bezahlten Maximalbetrages –, sondern ein genau abgegrenztes Gebiet wird herausgegriffen, in seinem Wert für die Gesellschaft abgeschätzt und mit einem Beitrag anerkannt. Dies ist eine interessante Strategie: Wenn schon Haus- und Familienarbeit als «unbezahlbar» erscheint, so heisst dies noch lange nicht, dass es nicht sinnvoll und möglich ist, eng abgegrenzte Arbeitsleistungen daraus, eben z.B. die innerfamiliale Betreuung von Kindern bis zum Alter von zwei Jahren, mit einem «Teillohn» zu versehen.
    Dieses Gesetz erhebt nicht einmal den Anspruch, die Leistungen, die Eltern hier erbringen, wirklich zu bezahlen. Stets ist nur von Beiträgen die Rede, nicht etwa von einer Entschädigung oder dergleichen. Eine solche müsste ja auch viel höher sein, da die Reproduktionsarbeit für ein Kind während seiner ersten beiden Lebensjahre ohnehin umfangreicher ist als durchschnittliche Anforderungen einer Vollzeitstelle während derselben Zeit. Damit bleibt einerseits ein Teil der Arbeitsleistung unbezahlt, andererseits gibt das Gesetz auch hier nicht vor, mehr zu sein, als es ist, und bleibt damit offen für Erweiterungen.
    Dass die Beiträge nur an Eltern mit niedrigem Einkommen ausbezahlt werden, ist problematisch. Damit bleibt der Grossteil der Bevölkerung ausserhalb der Wirkung dieses Gesetzes. Andererseits gibt es, gerade in Zeiten, in denen Einkommen von Arm zu Reich umverteilt wird (Leu/Burri/Priester 1997), genügend ethische Gründe, solche Zahlungen mit einer Umverteilung in die umgekehrte Richtung zu kombinieren
  • Wo an Eltern in Zwei-Eltern-Familien solche Beiträge ausbezahlt werden, gleichen sie das Machtgefälle zwischen verdienendem und nicht verdienendem Elternteil aus und verbessern so die Beziehungsqualität. Vermeidung von Armut und Ermöglichung der Kombination von Ausbildung und Elternschaft (siehe unten zum sechsten Beurteilungskriterium) verbessert die Möglichkeit sozialer Kontakte ausserhalb der Familie. Die Stigmatisierung durch die Ausgestaltung als gesuchsabhängige Bedarfsleistung (siehe unter dem nächsten Punkt) wirkt allerdings eher als Beziehungshindernis.
  • Diese Beiträge sind als Leistungsanerkennung ein Betrag zu einem realistischeren Selbstwertgefühl von Hausfrauen und Hausmännern. Allerdings sind Bedarfsleistungen als solche stigmatisierend. Wünschbar wäre eine Auszahlung ohne Gesuch allein aufgrund der Steuerdaten und eine Formulierung des Gesetzes, welche die prinzipielle Anerkennung der Reproduktionsarbeit in allen Familien verbal ausdrückt, wenn es auch festhält, dass diese Anerkennung ab einem bestimmten Einkommen sich nicht mehr in Beitragszahlungen niederschlägt. Es überwiegen aber die positiven Wirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung.
  • Kleinkinder-Betreuungsbeiträge werden auch öfters an Zwei-Eltern-Familien ausbezahlt, von denen ein Elternteil in Ausbildung steht und der andere Elternteil mehrheitlich für die Kinderbetreuung zuständig ist. Solche Paare haben typischerweise ein niedriges Einkommen. (Da Ausbildung einer vollen Erwerbstätigkeit gleichgestellt wird, erfüllen sie auch dieses Kriterium der Auszahlung von Kleinkinder-Betreuungsbeiträgen). Damit ist es in Zwei-Eltern-Familien eher möglich, dass ein Elternteil eine Ausbildung absolviert, während kleine Kinder aufgezogen werden, genauso wie das bei kinderlosen Paaren problemlos möglich ist. Die tendenzielle Unvereinbarkeit von Familie und Ausbildung wird damit leicht korrigiert. Auch Kombinationen von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit werden insgesamt eher gefördert.
  • Die Beiträge werden überwiegend an Alleinerziehende bezahlt. Das Gesetz ist aber an keiner Stelle speziell auf diese Familienform ausgerichtet, sondern auf die Leistung, die Eltern in jeder Familienform erbringen. Alleinerziehende profitieren von dieser Leistungsanerkennung und werden nicht als «Sozialfall» gehalten. Das Gesetz ist somit nicht nur familienformenneutral, sondern bekämpft sogar den Hauptnachteil der Familienform «Ein-Eltern-Familie»: ihre häufigere Armut (Leu/Burri/Priester 1997).


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Bedeutsamste Kombinationen sind hier solche, welche zur Verhinderung einer Verstärkung von Geschlechterstereotypen beitragen. Besonders in Frage kommen dafür eine starke Förderung der Frauen in der Erwerbswelt (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447), daneben ein Support für Männer, die grössere Teile der Haus- und Familienarbeit übernehmen, wie z.B. «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452). Als Kompensation der Stigmatisierung durch eine Bedarfsleistung ist der «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) sehr geeignet. Einer verengten Privatisierung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit durch diese Kleinkinder-Betreuungsbeiträge sollte durch «Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) und speziell durch «betriebliche Angebote der Kinderbetreuung» (siehe unter 5.11.3 ab Seite 515) entgegengewirkt werden.





    Massnahme 8: Erziehungsgehalt 2000
    Es wird ein «Erziehungsgehalt» für die Erziehungs- und Betreuungsarbeit an Kindern im Wert von 2000 DM pro Monat für das erste und 1000 DM pro Monat für das zweite und jedes weitere Kind ausbezahlt. Dieses Gehalt finanziert sich aus verschiedenen daraus resultierenden Einsparungen und aus zusätzlichen Staatseinnahmen.


    Bewertung der Massnahme 8
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + + ++ + ++ ++ ++ ++
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme vermindert nicht direkt die Diskriminierung der Frau als Frau, sondern speziell der Frau als Hausfrau, daneben aber prinzipiell auch die des Hausmannes. Diese Massnahme trägt nicht direkt zur Gleichstellung der Geschlechter bei, sondern zu einer Gleichstellung der Haus- und Familienarbeit als einer sozialisiert(!)-«weiblichen» Leistung: Effekt ist die Aufwertung eines «weiblichen» Bereiches. Diese Massnahme stärkt die Position der Hausfrauen, aber nicht die Position der Berufsfrauen und ist als solche daher nicht als geschlechtergleichstellend zu bezeichnen.
    Die Massnahme schafft aber Bewusstsein für die Bedeutung der Haus- und Familienarbeit. Damit schafft sie eine wichtige Voraussetzung für eine wesentlich tiefergehende Geschlechtergleichstellung, als wir sie bisher erlebt haben, insbesondere, wenn zugleich eine Auflösung der geschlechtsspezifischen Koppelung von «Frau» und «Hausarbeit» unternommen wird.
    Auch die Durchlässigkeit vom Erwerbsbereich zum Bereich der Haus- und Familienarbeit kann für Männer verbessert werden.
  • Die Kinder bleiben zwar in der Objektposition. Ihre gesellschaftliche Bedeutung, namentlich ihre wirtschaftliche Bedeutung wird aber in der Argumentation für diese Massnahme stark hervorgehoben. Dies wertet ihre Position etwas auf.
  • Diese Massnahme ist eine direkte und massive Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit, obwohl sogar ein solches Erziehungsgehalt gemessen an der erbrachten Leistung noch eine deutliche Unterbezahlung bedeutet.
  • Eine Aufwertung bisher «weiblicher» Leistungen trägt deutlich zur Verminderung des Beziehungsgefälles zwischen den Geschlechtern bei. Die öffentliche Thematisierung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit kann eine verstärkte Auseinandersetzung der Männer mit dem familiären Bereich mit sich bringen und so ihre Beziehungskompetenzen verbessern.
  • Diese Massnahme verbessert die Wirkungen der Haus- und Familienarbeit auf die Persönlichkeitsentwicklungen der Hausfrauen und Hausmänner wesentlich. Selbstwertgefühlabbau (siehe oben unter 3.4.3 ab Seite 107) wird vermindert, Haus- und Familienarbeit dürfte eher als selbstbewusstseinsstärkende Leistung wahrgenommen werden. Ausserdem trägt ein Erziehungsgehalt 2000 dazu bei, dass Männer die Haus- und Familienarbeit, die sie selber konsumieren, bewusster wahrnehmen. Dies bedeutet entscheidende Impulse für Persönlichkeitsentwicklungen.
  • Diese Massnahme kann in bedeutsamem Mass dazu beitragen, einen sachgerechten, weiteren Arbeitsbegriff in den Alltag zu bringen.
  • Diese Massnahme schafft wesentlich egalitärere Verhältnisse in Paarbeziehungen, in denen Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit ungleich verteilt sind.
    Diese Massnahme lässt allen denkbaren Familienformen Freiraum. Es wird eine Leistung (teilweise) entschädigt, ohne normative Vorstellungen hinsichtlich der Familienformen zu transportieren. Da das Erziehungsgehalt 2000 gänzlich erwerbszeitunabhängig gestaltet ist – im Unterschied zu den obengenannten Kleinkinder-Betreuungsbeiträgen des Kantons Zürich und im Unterschied noch zu der früher von Leipert publizierten Variante des Erziehungsgehaltes – wird auch der Mütterlichkeitsmythos (siehe oben unter 0 ab Seite 253), die normative Vorstellung, dass dauernde mütterliche Präsenz für die Entwicklungs des Kindes positiv, ja unabdingbar notwendig sei, eher kritisiert als perpetuiert.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Zur Verhinderung der Verstärkung von Geschlechterstereotypen ist eine starke Förderung der Frauen in der Erwerbswelt (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) entscheidend, daneben ein Support für Männer, die grössere Teile der Haus- und Familienarbeit übernehmen (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452). Einer verengten Privatisierung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit sollte durch «ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) entgegengewirkt werden.
    Wünschenswert sind ausserdem alle Massnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit der Haus- und Familienarbeit mit der Erwerbsarbeit (siehe unter 5.9 ab Seite 493).
    Einleuchtend als Kombination mit einer monetären Anerkennung sind auch Massnahmen, welche die Qualität dieser nun teilweise bezahlten Arbeit optimieren (vgl. «Modell 5: Qualifizierung für Haus- und Familienarbeit» siehe unter 5.6 ab Seite 460), insbesondere «Supervision» (siehe unter 5.6.2 ab Seite 463).





    Massnahme 9: Einrichtung eines sozialen Kinderkostenausgleichs
    Es wird ein sozialer Kinderkostenausgleich eingeführt, von dem vor allem Familien mit kleinerem und mittlerem Einkommen profitieren. Mindestens das Existenzminimum ist für jedes Kind garantiert.


    Kurzbewertung
    Diese Massnahme hat eine ähnliche Transferwirkung wie das Erziehungsgehalt, allerdings ist das Volumen niedriger und die Anerkennung der Haus- und Familienarbeit ist wesentlich geringer, da der Gehaltscharakter fehlt. Stattdessen steht die Lebensqualität des Kindes stärker im Zentrum. Im Übrigen ist die Bewertung analog derjenigen des Erziehungsgehaltes vorzunehmen. Es resultiert eine Gesamtwertung von «+». Die sehr gute Wirkung auf den sozialen Einkommensausgleich zwischen Arm und Reich mit seinen zahlreichen positiven Auswirkungen ist dabei noch nicht berücksichtigt, da die Leitlinien einer HausArbeitsEthik darauf nicht speziell eingehen, sondern die Massnahmen allein aus der Perspektive der Haus- und Familienarbeit beurteilen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Auch hier ist eine starke Förderung der Frauen in der Erwerbswelt (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) zur Verhinderung der Verstärkung von Geschlechterstereotypen wesentlich, daneben ein Support für Männer, die grössere Teile der Haus- und Familienarbeit übernehmen (siehe z.B. unter 5.5.3.7 ab Seite 452). Einer Abwertung der betroffenen Personen durch einen sozialen Transfer ist durch «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) entgegenzuwirken, ebenso einer verengten Privatisierung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit durch «ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482).
    Wünschenswert ist eine Kombination mit Massnahmen für eine Vergrösserung des Angebotes an Teilzeitstellen und für deren Absicherung (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508 und unter 5.11.2 ab Seite 513).





    Massnahme 10: Der Ehrenfest-Plan
    Anstatt Kinderzulagen auszurichten oder mit Steuerabzügen einen Transfer zugunsten der Familie zu realisieren wird pro Kind und prinzipiell auch an das Kind ein Betrag ausbezahlt, der seine Lebenshaltungskosten sowie die Kosten für einen «Einkauf» der notwendigen Betreuung (im Normalfall bei den Eltern) deckt. Damit entsteht indirekt eine Bezahlung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit.


    Bewertung der Massnahme 10
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme verbessert nicht direkt die Gleichstellung der Frauen. Die hohe Lebensgestaltungsflexibilität, die hergestellt wird, kann jedoch zu mehr selbstbestimmten und weniger geschlechterstereotypenorientierten Biographien deutlich beitragen.
  • Diese Massnahme ist eine der wenigen, die entscheidend zur Gleichachtung der Kinder beiträgt, da sie von ihnen ausgeht und ihrer Selbstbestimmung angemessenen Raum verschafft.
  • Auch die Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit wird optimal verwirklicht.
  • Vor allem die Beziehungsqualität zwischen Kindern und den sie betreuenden Personen kann wesentlich verbessert werden, da dem einseitigen Machtgefälle die Bezahlung quasi seitens des Kindes an die betreuende Person entgegensteht. Auch die Einrichtung sinnvoller Betreuungsnetze statt der Betreuung überwiegend durch eine einzige Person wird erleichtert, da hiezu nun Geld vorhanden ist. Schliesslich wird auch das Gefälle zwischen in herkömmlicher Art erwerbstätigen Personen und kinderbetreuenden Personen vermindert, da auch letztere nun über ein Einkommen verfügen.
  • Die Persönlichkeit der Hausfrauen und Hausmänner dürfte weniger beeinträchtigt werden. Einerseits ist ihrer Funktion einige problematische Macht genommen, was für Persönlichkeitsentwicklungen ein Vorteil ist. Andererseits haben sie ein Einkommen, das eine sachgerechte Bildung eines leistungsbezogenen Selbstbewusstseins stärkt.
  • Ein sachlich sinnvoll erweiterter Arbeitsbegriff kommt zur Anwendung, da Kinderbetreuungsarbeit in aller Form als Arbeit anerkannt wird.
  • Diese Massnahme portiert überhaupt keine impliziten Familiennormen mehr und gibt eine gute Lebensgrundlage für unterschiedliche, auf die Bedürfnisse der verschiedenen betroffenen Personen abgestimmte Familienformen.
    Ausserdem erhalten Kinder richtigerweise mehr Einfluss auf die Wahl und Gestaltung von Formen des Zusammenlebens.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist eine starke Förderung der Frauen in der Erwerbswelt (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) zur Verhinderung der Verstärkung von Geschlechterstereotypen, daneben ein Support für Männer, die grössere Teile der Haus- und Familienarbeit übernehmen (siehe z.B. unter 5.5.3.7 ab Seite 452).
    Wichtig ist ausserdem eine Kombination mit verschiedenen Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit (siehe unter 5.9 ab Seite 493).
    Da diese Massnahme Macht- und andere Verhältnisse zwischen Kindern und Erwachsenen, insbesondere zwischen Kindern und Eltern stärker verändert, sind hier Kombinationen mit dem «Modell 9: Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) und mit «Supervision» (siehe unter 5.6.2 ab Seite 463) und wohl auch mit spezifisch auszuarbeitenden Bildungsangeboten für Eltern wesentlich, damit diese Veränderungen von beiden Seiten her konstruktiv gestaltet werden können.





    Massnahme 11: «Familienkreditmodell»
    Die «Familienphase» ist im Verlaufe der Biographie eines Elternpaares bzw. einer alleinerziehenden Person eine Phase knapper finanzieller Mittel. Um dies auszugleichen, wird es ermöglicht, einen Kredit aufzunehmen für diese besonderen finanziellen Belastungen dieser Phase. Dieser Kredit wird erst nach dieser Phase wieder abbezahlt.
    Banken finanzieren bis jetzt keine solchen Kredite, da das Kreditrisiko ungewiss ist. Um dieses Risiko abschätzbar zu machen, wird eine örtlich und zeitlich befristete staatliche Garantie für «Familienkredite» eingerichtet, deren Auswirkungen im Verlauf dieses Versuchs genau beobachtet und festgehalten werden. Ziel ist die Erhebung von Bedingungen, unter denen Kreditinstitute zu risikogerechten Zinse «Familienkredite» anbieten können, auch dann wenn die staatliche Garantie wieder eingestellt wird.


    Bewertung der Massnahme 11
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    0 0 – – 0 0 + + 0
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Das Familienkreditmodell fördert die Gleichstellung weder direkt noch wesentlich indirekt. Auch eine echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie – was immerhin eine «Gleicherstellung» bei ungleicher Verteilung der Haus- und Familienarbeit bringen könnte – wird nicht erreicht, sondern es wird lediglich, aber immerhin, das Drei-Phasen-Modell etwas optimiert.
  • Kinder erscheinen in der Denkweise dieses Modells tendenziell eher als «finanzielles Problem» denn als prinzipiell gleichwertige Menschen. Dies kann dem Modell nicht vorgeworfen werden, da es das Problem der Minderbewertung von Kindern gar nicht lösen will. Dennoch gilt, dass hier dieses Problem perpetuiert wird.
  • Der Annahme, Kinderkosten seien ein individuelles Problem von Eltern, wird massiv Vorschub geleistet.
  • Das Modell könnte die finanzielle Situation von Alleinerziehenden verbessern und damit materielle Abhängigkeit in Paarbeziehungen mit Kindern etwas vermindern. Dieser Effekt dürfte jedoch wenig ins Gewicht fallen. Insgesamt wird sich durch diese Massnahme kaum etwas an der Struktur von Paarbeziehungen ändern.
  • Das Modell dürfte kaum Einfluss auf Persönlichkeitsentwicklungen haben.
  • Immerhin der phasenweise Wechsel zwischen Elternarbeit und Erwerbsarbeit wird geglättet.
  • Finanzielle Selbständigkeit in innovativen Familienformen kann gestärkt werden. Das Modell bietet einen Baustein mehr zur selbstgewählten Gestaltung des sozialen Nahraums.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier wesentlich ist eine Rückkehrgarantie an den Erwerbsarbeitsplatz, damit die Kreditrückzahlung gesichert ist. Dies kann realisiert werden mit der Massnahme «Vorschläge für schweizerische Verhältnisse» (siehe unter 5.4.5 ab Seite 417, wobei diese Massnahme die schweizerische Mutterschaftsversicherung voraussetzt, siehe unter 5.4.2 ab Seite 411), durch geschützte Teilzeiterwerbsarbeit (siehe unter 5.11.2 ab Seite 513) oder in ähnlicher Art zu realisieren wäre. Damit dieses Familienkreditmodell überhaupt breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich ist, wäre ein starker sozialer Kinderkostenausgleich (siehe unter 5.3.4 ab Seite 398) zu realisieren – was zugleich eine Kombination mit einer Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit im eigentlichen Sinn bedeutet.





    Massnahme 12: Berücksichtigung in der Sozialversicherung
    Familiale Kindererziehung und -betreuung sowie Betreuung pflegebedürftiger Verwandter wird in der Altersversicherung berücksichtigt, als ob für diese Arbeiten ein kleiner, aber sozialversicherungspflichtger Lohn ausbezahlt würde.


    Bewertung der Massnahme 12
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + + ++ 0 0 + + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme bekämpft nicht die Diskriminierung der Frauen als Frauen, sondern der Frauen als Hausfrauen (und damit auch der Hausmänner). Benachteiligungen alleinerziehender Frauen (potenziell alleinerziehender Männer) hinsichtlich des versicherten Erwerbseinkommens werden etwas gemildert.
  • Zwar ist das Transfervolumen der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften klein. Doch wird diese kleine Gegenleistung in den sinnigen Zusammenhang mit der Altersversicherung – von der allgemein bekannt ist, das hier «die Jungen für die Alten zahlen» – gestellt. Daher kann diese Massnahme zu einer gewissen Aufwertung der Stellung der Kinder beitragen.
  • Die Leistungsanerkennung ist hier schon beinahe ein Spiel mit virtuellen Realitäten: Die Leistungen der AHV werden berechnet, als ob es einen Lohn für Hausarbeit gäbe. Es ist möglich, darin das Problem abgebildet zu sehen, dass Haus- und Familienarbeit zwar in einer Gesellschaft, in der Geld das elementare Anerkennungsmittel ist, bezahlt werden sollte, dass Haus- und Familienarbeit sich aber in ein System von Entlohnung bisher nicht integrieren liess. Die 10. AHV-Revision realisiert im Rahmen ihres Geltungsbereiches eine bis zum Pensionierungsalter virtuelle, anschliessend reelle Welt, in der für Haus- und Familienarbeit ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen von knapp 3000 Franken pro Monat bezahlt wird.
  • Diese Massnahme verändert die strukturellen Gegebenheiten hinsichtlich Qualität und Quantität zwischenmenschlicher Beziehungen nicht.
  • Diese Massnahme verändert die strukturellen Gegebenheiten hinsichtlich der Persönlichkeitsentwicklung kaum.
  • Erziehungs- und Betreuungsgutschriften tragen zum Einbezug der Haus- und Familienarbeit in den Arbeitsbegriff bei, allerdings eher am Rande.
  • Es ist sachlich nicht einleuchtend, dass Betreuungsgutschriften nur für die Betreuung Verwandter angerechnet werden können. Da die Bedingung gesetzt wird, dass die pflegebedürftige Person in demselben Haushalt leben muss, wäre kaum Missbrauch zu befürchten, wenn die Geltung sich auf pflegebedürftige Personen überhaupt erstreckte. Diese Massnahme bleibt diesbezüglich im engen, normativen Familienbegriff verhaftet. Ein-Eltern-Familien hingegen sind in dieser Massnahme gleichgestellt: teilfortschrittliche Familiennormenvorstellungen also.


    Option
    Die Betreuungsgutschriften könnten ausgeweitet werden auf Personen, die nicht verwandte Pflegebedürftige im gleichen Haushalt betreuen, sowie auf Pflegeeltern.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese interessante, aber in der Transferwirkung etwas bescheidene Massnahme sollte mit einem eigentlichen Transfer, beispielsweise mit der vorsichtigeren Variante «sozialer Kinderkostenausgleich» (siehe unter 5.3.4 ab Seite 398) kombiniert werden, zumindest aber mit einer weiterführenden Verhandlung über einen Ausbau des Transfers und der Beurlaubung (siehe unter 5.4.5.2 ab Seite 418).





    Modell 3: Elternschaftsbeurlaubung
    Eltern kleiner Kinder stehen in dieser ersten Zeit der Elternschaft einer hohen Präsenz- und Arbeitserfordernis gegenüber. In Anerkennung der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Arbeit wird dem Rechnung getragen durch Regelungen, welche einerseits eine Reduktion bzw. Unterbrechung der Erwerbsarbeit für eine bestimmte Dauer in ungekündigtem Anstellungsverhältnis sicherstellen und andererseits den Lohnausfall (teilweise) ausgleichen.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung ist zunächst analog derjenigen des Modelles 2 und damit des Modelles 1. Hier wird darüber hinaus für eine bestimmte Art der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit Haus- und Familienarbeit gesorgt. Damit wird nicht nur, wie in den Modellen 1 und 2, der Zielsetzung der Leitlinie LL entsprochen, sondern auch derjenigen der Leitlinie LA.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Eine Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) kann dazu beitragen, dass die Legitimation der Aufwendungen für Elternschaftsbeurlaubungen deutlich bleibt. Wesentlich sind, um eine Traditionalisierung der Arbeitsteilung gerade im Übergang zur Elternschaft (siehe oben Seite 129) zu verhindern, Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.5.1 ab Seite 424). Flankierend sind ausserdem Massnahmen zur Vereinbarkeit der Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit (siehe unter 5.9 ab Seite 493) zu ergreifen, damit eine teilzeitliche Elternschaftsbeurlaubung bzw. ein «Wiedereinstieg» tatsächlich breiter realisierbar wird.





    Massnahme 13: flexible, bezahlte Elternschaftsbeurlaubung
    Den Eltern wird im Anschluss an die Geburt eines Kindes ein Kontingent von beispielsweise 12 Monaten zu 80% bezahlter Freistellung von Erwerbstätigkeit zur Verfügung gestellt für die Kinderbetreuung. Sie können dieses Kontingent frei unter sich aufteilen und unter bestimmten Rahmenbedingungen auch als teilzeitliche Beurlaubung beziehen, womit sich die Gesamtdauer der Beurlaubung entsprechend verlängert. Die Eltern haben das Recht, nach Bezug dieses Kontingentes die Er-werbstätigkeit im angestammten Umfang am angestammten Arbeitsplatz weiterzuführen oder, wenn dies vom Arbeitgeber her nicht möglich ist, bei ihm eine gleichwertige Stellung einzunehmen.


    Bewertung der Massnahme 13
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ - 0 (+) + + + ++ +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme bekämpft nicht direkt die Diskriminierung der Frau. Da sie aber selber geschlechtsneutral gestaltet ist, führt sie jedenfalls diese Diskriminierung nicht weiter. Da zum grossen Teil nicht eine Pauschale, sondern der entgangene Lohn vergütet wird, können allfällige Lohndiskriminierungen der Frauen nicht Grund dafür sein, dass eher sie die Reduktion der Erwerbstätigkeit vornehmen. Es entsteht kein wesentlicher finanzieller Nachteil, wenn der Vater die (Teil-)Beurlaubung in Anspruch nimmt.
    Die hohe Flexibilität der Regelung erlaubt Eltern überdies, die optimale Lösung in der konkreten Situation zu finden.
  • Die Kinder bleiben in der Objektposition. Sie erscheinen nach der Bezeichnung «Elternversicherung» sogar als eine Art Unfall, als zu versicherndes Risiko hinsichtlich Einkommen und Position in der Erwerbswelt. Die Zahlungen sind als Lohnersatz ausgestaltet, drücken also nicht den gesellschaftlichen Wert der Kinderbetreuung und -erziehung aus, sondern entschädigen den Verlust analog einer Unfall- oder einer Haftpflichtsituation bei einer Körperverletzung.
  • Die Leistungsanerkennung ist ambivalent. Zwar werden Zahlungen für Familienphasen intensiverer Kinderbetreuung ausbezahlt, aber diese orientieren sich am bisherigen Erwerbseinkommen. Leute mit höherem angestammtem Erwerbseinkommen erhalten für die Übernahme derselben Funktion in Haushalt und Familie gewissermassen mehr Entschädigung als Leute mit kleinerem bisherigem Erwerbseinkommen. Diese Lösung drückt deutlich die Meinung aus, dass die eigentliche Arbeit die Erwerbsarbeit sei.
  • Die strukturellen Voraussetzungen für die Quantität und Qualität von zwischenmenschlichen Beziehungen werden eher wenig tangiert. Die Möglichkeit, nicht nur einen Unterbruch, sondern auch eine Reduktion der Erwerbsarbeit in Anspruch zu nehmen, vermindert die Isolation der Hausfrauen und Hausmänner.
  • Die hohe Flexibilität der Regelung ist förderlich für die Entwicklung eigenständiger Biographien und Identitäten. Allerdings ist die Regelung doch relativ erwerbsarbeitsfixiert.
  • Die Kombinierbarkeit von Erwerbsarbeit und Haus- und Familienarbeit wird entscheidend verbessert. Dennoch bleibt eine deutliche Präferenz der Erwerbsarbeit bestehen.
  • Die hohe Flexibilität der Regelung ist der Vielfalt der Familienformen angemessen und fördert selbstbestimmte Gestaltungen dieses Lebensbereiches.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Eine Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) ist hier entscheidend, um den problematischen «Versicherungsaspekt» wenigstens einigermassen zu korrigieren. Die aus dem genannten Grund bei Elternschaftsbeurlaubungen jeglicher Art wichtige Kombination mit Umverteilungsmassnahmen wäre hier sinnvoll mit den drei Massnahmen «Initiativprojekt der Gesellschaft für eine gerechte Arbeitsverteilung (GeGAV)» (siehe unter 5.5.3.2 ab Seite 442), «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und «von der Femalie zur Manilie» (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455) zu realisieren. Damit die Flexibilität dieser Art von Elternschaftsbeurlaubung auch tatsächlich zum Tragen kommen kann, ist eine Kombination mit den beiden Massnahmen zur Verbreitung und Absicherung von Teilzeitanstellungen (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508 und unter 5.11.2 ab Seite 513) grundlegend.
    Richter, Gudrun; Stackelbeck, Martina Beruf und Familie. Arbeitszeitpolitik für Eltern kleiner Kinder Bund Verlag Köln 1993





    Massnahme 14: Die Mutterschaftsversicherung der Schweiz
    Es wird ein zu 80% bezahlter Urlaub von 14 Wochen Dauer für erwerbstätige Mütter eingerichtet. Zudem wird ein einmalige, einkommensabhängige Grundleistung von maximal 3920 Franken anlässlich jeder Geburt ausbezahlt.


    Bewertung der Massnahme 14
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    - 0 + 0 0 + + 0 (+)


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Die geschlechterstereotype Konzeption widerspricht der Gleichstellung. Mutterschaft wird als mit der Erwerbstätigkeit schwerlich vereinbar eingeschätzt, die ungebrochene Berufsbiographie der Väter wird hingenommen.
  • Kinder werden als zu versicherndes Risiko dargestellt und damit stigmatisiert. Zugleich werden jedoch die Bedingungen für ihre Betreuung etwas verbessert.
  • Die Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit, hier speziell der Erziehungs- und Betreuungsarbeit wird nur wenig vorangebracht. Am meisten Anerkennung wird durch das Prinzip der Grundleistung ausgedrückt.
  • An den strukturellen Gegebenheiten hinsichtlich der Quantität und Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen wird wenig geändert.
  • Die Regelung ist unflexibel. Eigenständige Biographiebildungen und Entwicklungen diversifizierter Persönlichkeiten werden nicht angeregt.
  • Eigentliche Kombinationen von Haus- und Familienarbeit mit Berufs-/Erwerbsarbeit werden kaum erleichtert. Immerhin ist eine kurze Unterbrechung und eine (allenfalls teilzeitliche) Weiterführung der Erwerbsarbeit für Mütter (nicht für Väter) etwas leichter möglich als bisher.
  • Die Regelung kommt beispielsweise der Ein-Eltern-Familie etwas mehr entgegen als die bisherige. Umgekehrt schreibt sie Hausfrau-Berufsmann-Rollenteilungen mit all den oben dargelegten Nachteilen fest.
    Wichtiger Hinweis:
    Zu diesem vergleichsweise schlechten Abschneiden der Mutterschaftsversicherung der Schweiz bei einer Beurteilung anhand der sieben Leitlinien dieser HausArbeitsEthik ist ein Erklärung notwendig. Tatsächlich wäre diese Mutterschaftsversicherung ein beachtlicher Fortschritt für die familienpolitischen Verhältnisse in der Schweiz. Eine Beurteilung des vorherigen Zustandes ohne Mutterschaftsversicherung wäre deutlich schlechter ausgefallen. Nur bleibt die schweizerische Regelung der Mutterschaftsversicherung im internationalen Vergleich und relativ zu den Zielsetzungen, welche die Leitlinien dieser HausArbeitsEthik formulieren, weiterhin deutlich zurück.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Die Mutterschaftsversicherung der Schweiz als eine minimalistische Variante von Elternschaftsbeurlaubung sollte dringend mit einem umfangreicheren Transfer, idealerweise vom Typ des Erziehungsgehaltes (siehe unter 5.3.3 ab Seite 395) kombiniert werden. Wie gesagt sind Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit wichtig. Hier empfehlen sich «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und der «Arbeitsmixbonus für Personen, welche Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit kombinieren» (siehe unter 5.5.3.5 ab Seite 449). Wünschbar wäre eine Kombination auch mit «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452). Diese sehr unflexible Variante der Elternschaftsbeurlaubung bedarf ausserdem dringend Massnahmen, welche einen «Wiedereinstieg» realistisch machen: hauptsächlich «Berufskontakt in der «Familienphase» (siehe unter 5.11.5 ab Seite 518) und «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit» (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520), ausserdem, da ein vollzeitlicher Wiedereinstieg nach dem äusserst kurzen Urlaub wenig realistisch ist, «Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes» (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508) und «Gesetzlich geregelte Beurlaubungs- und Teilzeitarbeitsmöglichkeiten für Personen mit Kindererziehungs- und Betreuungsaufgaben» (siehe unter 5.11.2 ab Seite 513) sowie natürlich eine Förderung des Angebotes familienexterner Kinderbetreuung (5.8.1 und 5.11.3).





    Massnahme 15: Bildung eines Konsensgremiums für die Einführung einer Elternschaftsbeurlaubung
    Es wird ein paritätisches Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber einerseits sowie der Gleichstellungsfachstellen und Familienorganisationen andererseits geschaffen mit dem Ziel, auf dem Verhandlungsweg den Transfer sowie die Wiedereinstellungsgarantie für Eltern kleiner Kinder weiterzuentwickeln.
    Zunächst dürfte die Herstellung eines Grundkonsenses über die prinzipielle Bedeutung einer Elternschaftsbeurlaubung wichtig sein. Davon ausgehend können dann Varianten von konkreten Ausgestaltungen entworfen und verglichen und akzeptable Kompromisse gefunden werden. Der bestehende Transfer in Form von Kinderzulagen, Steuerabzügen, kantonalen Beiträgen an Eltern usw. ist dabei zu berücksichtigen und kann um- und eingebaut werden. Vertreterinnen und Vertreter entsprechender Stellen sind gegebenenfalls in das Gremium einzubeziehen.


    Kurzbewertung
    Die Eigenheit dieser Massnahme ist ihre Diskursorientiertheit. Neben den Wirkungen, die sie im Fall des Gelingens solcher Verhandlungen hat (sie sind ähnlich den anderen Transfer- und Wiedereinstellungsgarantiemassnahmen zu bewerten), hat diese Massnahme den Effekt einer Thematisierung der Leistung der Haus- und Familienarbeit in gesellschaftlicher Perspektive. Dieser Diskurs hat einen eigenen Wert und kann wesentlich zur Verminderung der Abwertung beitragen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich sind hier Massnahmen, welche die Verhandlungsposition der Vertretung der Familienseite stärken, namentlich «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), «Bildung einer starken Lobby» (siehe unter 5.2.2 ab Seite 375) und «Tag der Haus- und Familienarbeit am Muttertag» (siehe unter 5.2.5 ab Seite 384) sowie Forschungsanstrengungen (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542), welche die argumentative Gesprächsbasis und den Handlungshorizont erweitern.





    Massnahme 16: Elternschaftsbeurlaubung für schweizerische Verhältnisse
    Elternschaftsbeurlaubungen können einvernehmlich zwischen Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer und Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber realisiert werden, wobei eine Vertretung durch eine erwerbsarbeitslose oder «ausgesteuerte» Person zulässig ist und gefördert wird. Zur Förderung dieser Art von Elternschaftsbeurlaubung wird eine Fachstelle eingerichtet. Sie vermittelt erwerbsarbeitslose und ausgesteuerte Personen mit den Beurlaubungsvertretungsstellen. Ausserdem berät und begleitet sie die vertretenden Personen und die Betriebe im Sinne einer kleinen, auf diese Art der Elternschaftsbeurlaubung bezogenen Unternehmensberatung.
    Die beiden Einkommen (von ArbeitgeberIn und Arbeitslosenkasse), welche nun für diesen einen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, werden sinnvoll verteilt, so dass der Gewinn aus dieser Zusammenarbeit allen Beteiligten die Aufwendung abdeckt. Dort, wo eine solche Vertretung gefunden werden kann, dürfte es so möglich sein, eine Elternschaftsbeurlaubung mit einem Verdienstausfall von höchstens 30% zu realisieren, ohne dass – abgesehen von der Finanzierung der Vermittlungs- und Fachberatungsstelle und der zugehörigen Strukturkosten – öffentliche Gelder gebraucht werden.


    Bewertung der Massnahme 16
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + + + + + ++ +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme ist keine direkte Gleichstellungsmassnahme. Sie ist aber – ganz im Unterschied zur Mutterschaftsversicherung – gänzlich geschlechtsneutral organisiert. Und diese Massnahme reduziert Benachteiligungen von Frauen (und Hausmänner-Vätern) auf dem Arbeitsmarkt. Da eine Elternschaftsbeurlaubung realisiert wird, deren Zahlungen sich am angestammten Einkommen orientieren, wird ein Bezug des Urlaubs durch Väter und damit die Auflösung von Geschlechterstereotypen gefördert.
  • Diese Massnahme belässt Kinder in der Objektposition. Allerdings kommen Kinder durch den Prozess der gemeinsamen Organisation der Vertretung wohl deutlich stärker in die Optik der Betriebe. Auch dürfte ein Elternschaftsurlaub die Lebensbedingungen von Kindern verbessern, insbesondere dort, wo in Zwei-Eltern-Familien eine Erwerbstätigkeit beider Eltern finanziell notwendig ist und dort, wo in Ein-Eltern-Familien die Erwerbstätigkeit des mit der Sorge für das Kind befassten Elternteils finanziell notwendig ist.
  • Die teilweise Bezahlung des Erwerbsausfalles ist an der Höhe des Erwerbseinkommens orientiert und nicht an der Haus- und Familienarbeit als Leistung, und dementsprechend profitieren auch nur erwerbstätige Mütter bzw. Väter. Daher ist diese Massnahme kein eigentlicher Transfer zugunsten von Eltern im engeren Sinn und keine direkte Anerkennung von deren Leistung. Ihre Arbeit findet jedoch durch diese Massnahme Berücksichtigung in den Strukturen der Erwerbswelt und gewinnt damit an Beachtung.
  • Der strukturelle Zwang zur einseitigen und unter Umständen langdauernden Unterbrechung der Berufstätigkeit ab dem Übergang zur Elternschaft wird vermindert. Machtgefälle und Komplementaritäten in Paarbeziehungen dürften sich tendenziell vermindern.
  • Selbständige Gestaltungen eigener Biographien werden unterstützt. Die Realisierung von Biographien, welche Elternschaft und Erwerbsarbeit kombinieren, werden erleichtert. Diversifizierte Persönlichkeitsentwicklungen werden damit gefördert.
  • Der Ausschluss der Haus- und Familienarbeit aus dem Feld der Arbeit wird vermindert, obwohl auch hier die Dominanz der Erwerbsarbeit bestehen bleibt.
  • Diese Massnahme stützt die Pluralität von Familienformen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Dieses recht ausgewogene Modell setzt die Mutterschaftsversicherung der Schweiz (siehe unter 5.4.2 ab Seite 411) als gegeben voraus und bedarf abgesehen davon lediglich wirksamer Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern, vorzugsweise der «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und der «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) sowie Massnahmen zur Bereitstellung entsprechender Teilzeitstellen, wie das die Massnahmen «Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes» (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508) und «Gesetzlich geregelte Beurlaubungs- und Teilzeitarbeitsmöglichkeiten für Personen mit Kindererziehungs- und Betreuungsaufgaben» (siehe unter 5.11.2 ab Seite 513) darstellen. Wünschenswert sind ausserdem zur Verbesserung der Vereinbarkeit «Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) und «Betriebliche Angebote der Kinderbetreuung» (siehe unter 5.11.3 ab Seite 515) und «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit» (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520).





    Modell 4: Gerechte Verteilung der Haus- und Familienarbeit unter Frauen und Männern
    Eine Verminderung, schliesslich eine Auflösung der geschlechtsspezifischen Ungleichverteilung der Haus- und Familienarbeit wird angestrebt.


    Kurzbewertung
    Dieses Modell realisiert insbesondere die Leitlinie LG, dürfte aber zugleich zur sachgerechten Bewertung der Haus- und Familienarbeit (LL), zum Abbau von Geschlechterstereotypen und damit zur Verbesserung von Beziehungsqualitäten (LB) und Persönlichkeitsentwicklungsmöglichkeiten (LP), ebenso zu einem integraleren Begriff von Arbeit (LA) und auch zu einem offeneren Horizont für die Gestaltung der Familie (LF) beitragen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Dieses Modell steht in sich selbst und hat weniger spezifische Risiken als die ersten drei Modelle, bedarf also weniger der Kombination mit anderen Modellen und Massnahmen, sondern dürfte diese vielmehr aus sich selber hervorbringen. Wenn überhaupt eine Kombination speziell vorzuschlagen wäre, dann am ehesten Massnahmen zur Qualifizierung im Bereich der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.6 ab Seite 460) sowie eine Verstärkung der Forschung zur Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542).





    Modell 4a: Zwei-Eltern-Familie mit egalitärer Arbeitsteilung
    Die traditionelle Familie wird insofern abgewandelt, als dass sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Haus- und Familienarbeit egalitär (im Idealfall egalitär bezüglich Verantwortung und Arbeitsaufwand) auf beide Elternteile verteilt werden.
    Die andernorts laufenden Entkoppelungen (siehe oben unter 4.4.11.1 ab Seite 333) werden dabei nicht mitvollzogen, sondern die Familie behält auch als Familie mit egalitärer Arbeitsteilung die herkömmlichen Funktionen «gemeinsamer Haushalt», «Regulierung der Sexualität», «Ort der Fortpflanzung» und «Ort von Liebe und Geborgenheit» («Kohäsion und emotionale Stabilisierung» nach Kaufmann, vgl. oben a.a.O.). Auch biologische und soziale Elternschaft bleiben gekoppelt.


    Bewertung des Modelles 4a
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + + ++ ++ ++ + ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • In diesem Modell wird Geschlechtergleichheit hergestellt in einem Bereich, der bisher sehr stark von Geschlechterstereotypen bestimmt war.
  • Die Position der Kinder wird nicht verbessert. Allerdings ist es für sie im Allgemeinen ein grosser Vorteil, dass sie zu beiden Elternteilen eine intensive Beziehung herstellen können.
  • Die egalitäre Arbeitsteilung schafft eine Anerkennung der Haus- und Familienarbeit als Leistung in den innerfamiliären Binnenwerten, kann jedoch zum privatisierten Kompensat einer gesellschaftsstrukturell-öffentlichen Anerkennung dieser Arbeit verkommen: Es besteht eine gewisse Gefahr, dass die fehlende gesellschaftliche Anerkennung durch eine Anerkennung bloss innerhalb der Familie ersetzt wird. Allerdings dürfte eine reale Verbreitung egalitärer Arbeitsverteilung sukzessive auch eine gesamtgesellschaftliche Anerkennung dieser Arbeit zur Foge haben.
  • Die Qualität der elterlichen Paarbeziehung kann sich verbessern, da Geschlechterstereotypen und entsprechende Symbiosen tendenziell vermindert werden. Auch die Qualität der Eltern-Kind-/Kind-Eltern-Beziehungen dürfte steigen. Zu bedenken ist allerdings, dass auch die «Partnerschaftsideologie» der «partnerschaftlichen Familie» spezifische Projektionen auf eine Paarbeziehung beinhaltet (vgl. oben unter 3.9 ab Seite 136 und unter 4.4.7.1 ab Seite 294).
  • Interesse an einer lebensbezogenen Ganzheit, somit das Ziel einer Persönlichkeitsentwicklung, die (geschlechtertypische) Fixierungen vermeidet, ist erklärter Grund von Frauen und Männern für Praktizierung dieses Modelles (Bürgisser 1996, 47). Dieses Modell dürfte ein realistischer Beitrag zu einer sinnvollen Persönlichkeitsentwicklung darstellen.
  • Dieses Modell stellt Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit in einen engen Zusammenhang und fördert einen angemessenen Begriff von Arbeit.
  • Dieses Modell stellt eine Art Optimierung der Zwei-Eltern-Familie dar. Das Modell kann damit eine Abwertung der Ein-Eltern-Familie transportieren und namentlich, wenn es als Ersatz für die Schaffung von Angeboten familienexterner Kinderbetreuung gesehen wird, den Abbau struktureller Benachteiligungen von Ein-Eltern-Familien behindern.
    Dieses Modell hält die Ineinssetzung von sozialem Nahraum und Familie in der dargestellten, vereinfachenden Form aufrecht, stellt aber in diesem Rahmen doch eine deutliche Verbesserung dar.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Zu realisieren ist dieses Modell vornehmlich mit Massnahmen wie «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447), «Von der Femalie zur Manilie» (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455) und «Geschlechterinteraktionsorientierte Perspektive für Forschung, Beratung und Bildung» (siehe unter 5.5.3.7.2 ab Seite 457). Für die Praxis dürfte eine gleichzeitige Förderung des Angebotes familienexterner Kinderbetreuung (5.8.1 und 5.11.3) wesentlich sein und der problematischen Nebenwirkung einer noch stärkeren Privatisierung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit angemessen entgegenwirken. Wünschbar wäre das Angebot von Supervision (siehe unten unter 5.6.2 ab Seite 463), um dem stark erhöhten Interaktions- und Regelungsbedarf besser nachkommen zu können.





    Modell 4b: Egalitäre Arbeitsteilung unter Eltern ohne gemeinsame Paarbeziehung
    Eltern gemeinsamer Kinder ohne Paarbeziehung zwischen den Eltern (Elternpaare, die kein «Mann-Frau-Paar» sind) teilen sich die Erziehungs- und Betreuungsarbeit ebenso wie die zugehörigen Haus- und Familienarbeit ungefähr zu gleichen Teilen auf. Dies kann durch entsprechende, freilich bisher relativ selten erprobte Wohn- und Familienformen realisiert werden.


    Kurzbewertung
    Dieses Modell teilt aus der Perspektive der sieben Leitlinien alle Vorteile des Modelles der «partnerschaftlichen Familie». Darüber hinaus fallen hier einige der dort angebrachten Kritikpunkte weg, beispielsweise die Bedenken gegenüber der Fortsetzung kritisierbarer Elemente des Paarbeziehungskonzeptes und die Tendenz zur Marginalisierung der Ein-Eltern-Familie. Damit dürfte dieses Modell in der Bewertung dieser HausArbeitsEthik sogar noch etwas besser abschneiden als das Modell der «partnerschaftlichen Familie».


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier sind zunächst die gleichen Kombinationen wie beim Modell 4a der «partnerschaftlichen Familie» zu nennen. Sehr wesentlich ist hier darüber hinaus eine Verstärkung der Position des Kindes (siehe unter 5.10 ab Seite 502) und sehr wünschenswert ist die Einführung eines «Grundeinkommens» (siehe unter 5.12.2 ab Seite 533), um die spezifischen Risiken dieses Modelles zu mindern. An die Stelle des «Grundeinkommens» könnte auch der «Ehrenfest-Plan» (siehe unter 5.3.5 ab Seite 401) treten, oder dieser könnte mit ersterem kombiniert werden.





    Massnahme 17: Zivilstandsunabhängige Möglichkeiten von Sorgerechtsregelungen
    Die rechtlichen Regelungen elterlicher Sorge werden zivilstandsunabhängig gestaltet. Verheiratete wie unverheiratete und geschiedene Eltern haben dieselben Möglichkeiten, Sorgerechtsvereinbarungen zu treffen, die dann rechtlich bindend sind, soweit sie das Kindeswohl respektieren.
    Diese Regelungen sollen auch differenzierter sein können, als bisherige Regelungen unter geschiedenen Eltern das zumeist waren. Ebenso sollte zumindest erwogen werden, die Möglichkeit zu schaffen, dass Eltern bereits vor einer Geburt Verbindlichkeiten über die Sorge herstellen können. –Das Recht darf keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern verursachen, muss also Frau und Mann gleich behandeln.


    Bewertung der Massnahme 17
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + + ++ ++ (+) ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Insbesondere für unverheiratete Eltern, wo das Gesetz (vor allem bis Ende 1999, weniger ab da) bisher biologistisch Sorgerechte und -pflichten einseitig und unabänderlich der Mutter zuwies, bedeutet diese Massnahme einen massiven Beitrag zur rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Aber auch für alle anderen Eltern bietet diese Massnahme neue Wahlmöglichkeiten und so Raum für mehr Gleichstellung.
  • In dieser Massnahme bleiben Kinder in Objektposition. Jedoch wäre es möglich, für Sorgerechtsvereinbarungen prinzipiell ein Gutachten zur Perspektive des Kindes zu verlangen und ab einem bestimmten Alter die gerichtliche Anhörung des Kindes vorzuschreiben.
  • Je nach dem, welche Konsequenzen an die Nichteinhaltung von Sorgepflichten gebunden werden, kann diese Massnahme sehr zur Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit als einer bedeutsamen Leistung beitragen.
  • Diese Massnahme trägt zur Möglichkeit, Beziehungen, gerade unter Eltern, selbstbestimmt zu gestalten, wesentlich bei. Möglichkeiten der Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern, wie sie durch diese Massnahme geschaffen werden, tragen, wie bereits mehrfach erwähnt, zur Qualität von Beziehungen und zur Verminderung der spezifischen Isolation der Hausfrauen (und Hausmänner) bei.
  • Diese Massnahme ermöglicht und fordert mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung in der Gestaltung von Beziehungen und Arbeitsteilungen. Es entsteht Raum und Notwendigkeit für selbständige Persönlichkeitsentwicklungen. Wesentlich wäre eine Flankierung mit Beratungs- und Supervisionsangeboten, damit diese an sich wertvolle Herausforderung nicht zur Überforderung wird.
  • Diese Massnahme dürfte dazu beitragen, dass Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit vermehrt kombiniert werden, statt je eines von beiden auf die Geschlechter zu verteilen. Dies dürfte indirekt zu einem integraleren Begriff von Arbeit führen. Allerdings bewahrt diese Massnahme eine distanzierte Trennung von Erwerbsarbeit und Haus- und Familienarbeit. Der Arbeitsaspekt der Kindererziehung und -betreuung kommt kaum zur Sprache und bleibt im Wort «Sorge» eher etwas verborgen.
  • Diese Massnahme vergrössert zwar die Desorientierung darüber, was denn nun eine Familie sei, trägt aber gerade damit zu grundsätzlicherem Fragen und voraussichtlich auch eher zu einer Definition von Familie im Sinne der Leitlinie LF und zu den dort erarbeiteten Wertungen bei.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier sind zunächst die gleichen Kombinationen wie beim Modell 4b der «egalitären Arbeitsteilung unter Eltern ohne gemeinsame Paarbeziehung» zu nennen. Die Risiken einer egalitären Arbeitsteilung werden durch Sorgerechtsregelungsmöglichkeiten vermindert. Dies macht die Einführung eines Grundeinkommens etwas weniger dringlich.





    Massnahme 18: Eintrag der Umverteilung der Haus- und Familienarbeit als Ziel in die Bundesverfassung
    Das Ziel der «gleichberechtigten Verteilung der unbezahlten Arbeit» wird in der eidgenössischen Verfassung festgeschrieben, wie das im Text der Volksinitiative der Gesellschaft für gerechte Arbeitsverteilung (GeGAV) vorgesehen ist.


    Bewertung der Massnahme 18
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + ++ + ++ ++ (+) +(+)
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme zielt direkt auf Geschlechtergleichheit.
  • Die Kinder werden nicht als eigene Personen mit eigenen Rechten auf Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und angemessener Selbstbestimmung wahrgenommen, wie das die Leitlinie LK als Ziel festlegt. Kinder werden aber als bedeutsam angesehen, indem die Arbeit für ihr Heranwachsen ins Blickfeld gerückt wird. Dies bedeutet – je nach konkreten Folgen einer solchen Verfassungsänderung – einen beachtlichen Fortschritt gegenüber dem gegenwärtigen Zustand.
  • Diese Massnahme bringt die Haus- und Familienarbeit in die Verfassung und wertet sie damit angemessen auf. Die Aufwertung bleibt allerdings etwas unkonkret. Im Initiativtext der GeGAV wird der Erwerbsarbeit weiterhin mehr Platz eingeräumt als der unbezahlten Arbeit.
  • Die Hierarchie zwischen Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit wird vermindert. Unbezahlte Arbeit als eine oft menschen- und beziehungsnahe Arbeit wird aufgewertet. Instrumentalisierung des Menschen wird damit tendenziell vermindert. Allerdings sind diese Wirkungen eher indirekt.
  • Einseitige Persönlichkeitsentwicklungen hängen eng zusammen mit geschlechterstereotypen Sozialisationen. Gleichmässige Verteilung von unbezahlter Arbeit und damit auch gleichmässigere Verteilung von bezahlter Arbeit bringt demgegenüber eine Verminderung der Einseitigkeit der Persönlichkeitsentwicklungen mit sich.
  • Der Arbeitsbegriff wird wesentlich verbessert durch die umfassende Perspektive, welche der Initiativtext der GeGAV einnimmt. Ziel ist die Kombination von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit und damit die Realisierung von integrierten Arbeitszusammensetzungen der Individuen.
  • Auf Familienbegriff und die Realisierung von Familienformen wird kaum Einfluss genommen. Immerhin wird keine Familienform diskriminiert.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Im Initiativtext wird die unbezahlte Arbeit zwar prominent genannt. Dennoch ist es wesentlich, durch parallele Massnahmen zu präzisieren, um einen wie grossen Arbeitsbereich es sich dabei handelt und worum es dabei qualitativ geht. Dies ist möglich mit den Massnahmen «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542), «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538) und «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule» (siehe unter 5.13.1.2 ab Seite 540). Die Massnahmen, welche sich aus der verfassungsmässigen Zielsetzung der Gleichverteilung der unbezahlten Arbeit dann ergeben, sind an dieser Stelle nicht als Kombinationen zu nennen, sondern sind als Folge dieser Verfassungsänderung zu verstehen. Die drei letzten, daneben auch die erste der genannten Kombinationsmassnahmen dürften jedoch zum Finden geeigneter Massnahmen für die Realisierung der verfassungsmässigen Zielsetzung der Gleichverteilung wesentlich beitragen.





    Massnahme 19: Quotierung von Hausfrauen und Hausmännern in politischen Ämtern
    In bestimmten politischen Gremien sind zu einem bestimmten Anteil nur Personen wählbar, welche einen Nachweis über längere Erfahrung in Haus- und Familienarbeit erbringen.
    Ziel ist eine angemessene Quotierung von Personen mit Haus- und Familienarbeitserfahrung in allen politischen Ämtern. Dafür wird zunächst in haus- und familienarbeitsnahen politischen Gremien (z.B. Schulpflege/Schulrat) und allenfalls mit zunächst niedrigeren Prozentsätzen (jedoch nicht unter 30%) die Wählbarkeit an erbrachte Haus- und Familienarbeitsleistungen gebunden.


    Bewertung der Massnahme 19
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + (+) ++ ++ ++ + + +
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme richtet sich nicht direkt auf die Gleichstellung der Geschlechtergruppen. Sie wertet jedoch «weibliche» Leistungen und Fähigkeiten stark auf und trägt damit indirekt zur Gleichstellung der Geschlechter bei.
  • Kinder verbleiben in der Objektposition. Jedoch wird die Arbeit für sie als gesellschaftlich bedeutsame Arbeit besser erfasst und damit die Bedeutung der Kinder – allerdings eben lediglich die zukünftige Bedeutung und nicht das gegenwärtige Recht auf Mitsprache und gleichberechtigte Bedürfnisberücksichtigung – etwas besser gesehen.
  • Diese Massnahme ist eine direkte und bei einer annähernd 50%-igen Quotierung auch sachlich angemessene Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit.
  • Diese Massnahme könnte das Klima des politischen Diskurses grundlegend verändern. Bisher in diesem Diskurs unterdrückte Perspektiven kämen prominent zu Wort. Dies dürfte sich auch auf die Qualität der (familiären und anderen) Beziehungen zwischen den Geschlechtergruppen stark auswirken.
  • Die Anerkennung der Haus- und Familienarbeit dürfte die mit der Abwertung der Haus- und Familienarbeit verbundenen Beeinträchtigungen der Hausfrauen und Hausmänner (Selbstwertzerfall, Isolation u.ä., vgl. oben im dritten Kapitel) vermindern. Es ist aber unsicher, wie stark eine solche Wirkung hier wäre.
  • Die Gegenüberstellung und Verbindung von Haus- und Familienarbeit gegenüber bzw. mit der Erwerbsarbeit in politischen Gremien verbessert den Arbeitsbegriff in der Allgemeinheit. Allerdings ist zu bemängeln, dass die Einsicht in die Bedeutung von Nicht-Arbeit (Nicht-Arbeit in ihrem Gegenüber sowohl zur Erwerbsarbeit als auch zur Haus- und Familienarbeit), dass also eine Perspektive von ausserhalb der Arbeit (vgl. oben Seite 329 0 und besonders oben unter 4.4.10.4.1 ab Seite 316), welche gerade im politischen Diskurs wünschbar wäre, vielleicht noch stärker ausgegrenzt wird. Vielleicht kann diese Perspektive aber auch besser als nächster Schritt in die Arbeit der politischen Gremien einbezogen werden.
  • Diese Massnahme betrifft die Familie vor allem positiv, wobei diese Wirkungen grösstenteils aber unter den obigen Gesichtspunkten der Bewertung bereits berücksichtigt sind und in den Bewertungsgesichtspunkt der Familie nicht ein zweites Mal einfliessen. Über diese bereits berücksichtigten Gesichtspunkte hinaus dürfte sich diese Massnahme auf die Eltern-Kind-Beziehungen und auf die Gleichbewertung unterschiedlicher Familienformen tendenziell eher positiv auswirken, da etwa Haus- und Familienarbeit für die Quotierung angerechnet wird, unabhängig davon, in welcher Familienform Tätigkeiten als Hausfrau bzw. Hausmann ausgeübt werden.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier ist eine Kombination mit «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) wesentlich, damit der Grund für diese Quotierung deutlich ist und bleibt. Ausserdem ist «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und Männerförderung im Familienbereich (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) wichtig, damit für beide Seiten reale Wahlmöglichkeiten bestehen.





    Massnahme 20: Frauenförderung in der Erwerbswelt
    Die Berufstätigkeit und das berufliche Fortkommen der Frau wird mit verschiedenen Massnahmen gefördert. Ziel ist eine gleiche Stellung der Frauen in der Erwerbswelt.


    Bewertung der Massnahme 20
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ ++ ++ 0 + +
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Für die Verbesserung der Geschlechtergleichheit ist Förderung der Berufstätigkeit der Frau eines der dringendsten Desiderate.
  • Die Kinder werden aus der Perspektive einer beruflichen Förderung von Frauen eher als Störfaktor gesehen. Sie sind mehr ein Problem als ein Wert. Andererseits werden Kinder durch solche Förderungen eher zu einem öffentlichen Thema. Aus der Privatheit, die für die öffentliche Achtung der Kinder auch ihre hinderlichen Seiten hat, können die Kinder möglicherweise etwas befreit werden.
  • Zwar wird die Kinderbetreuung tendenziell und partiell veröffentlicht. Aber solange die Aufwertung der Berufsarbeit für die Frauen nicht von einer Aufwertung der Haus- und Familienarbeit für die Männer begleitet wird, ist insgesamt eine weitere Abwertung der Haus- und Familienarbeit im Vergleich zur Berufsarbeit die Folge. Dies wird vor allem von gynozentrischen Feministinnen (vgl. oben unter 4.4.2.4.2 ab Seite 261) eindrücklich gerügt. Weniger glaubwürdig sind solche Einwände gegen berufliche Förderung von Frauen, wenn die Einwände von Männern stammen.
  • Berufstätigkeit ist für Mütter sehr oft eine Möglichkeit, soziale Kontakte zu haben, d.h. die tendenzielle Isolation der Haus- und Familienarbeit zu überwinden. Dies wird von Frauen selber häufig als Grund für Beibehaltung oder Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit genannt.
    Ausserdem gleicht Berufstätigkeit der Frau das Machtverhältnis in Paarbeziehungen aus und verbessert so die Beziehungsqualität entsprechend den in der Leitlinie LB formulierten Zielen.
  • Die Kombination von Haus- und Familienarbeit (die auch beruflich erfolgreiche Frauen erfahrungsgemäss kaum aufgeben) mit Berufsarbeit führt zu einer Identitätsdiversifizierung und damit zu einer dank ihrer Mehrdimensionalität stabileren und abgerundeteren Persönlichkeitsstruktur.
  • Kombination von Haus- und Familienarbeit mit Berufsarbeit führt dazu, dass Problematiken des herkömmlichen Berufsbegriffes eher gesehen werden und eher eigenständige und sachlich konsequenter gedachte Arbeits- und Lebenskonzepte entworfen werden.
    Jedoch gilt auch hier, wie bereits oben hinsichtlich der Leistungsanerkennung gezeigt: Wenn die Aufwertung der Berufsarbeit für die Frauen nicht von einer Aufwertung der Haus- und Familienarbeit für die Männer begleitet wird, ist insgesamt eine weitere Abwertung der Haus- und Familienarbeit im Vergleich zur Berufsarbeit die Folge. Die Haus- und Familienarbeit kann damit noch weiter marginalisiert werden, wie die übliche und kaum angemessen thematisierte Doppelbelastung der Frauen in der DDR zeigt.
  • Das Familienkonzept wird verbessert durch eine egalitärere Verteilung der Aufgaben. Dazu führt die berufliche Förderung der Frau allerdings nur bedingt, wenn keine weiteren Massnahmen diese Förderung flankieren.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Generell ist es wichtig, diese integrativ-feministische Massnahme mit gynozentrisch (siehe oben unter 4.4.2.4.2 ab Seite 261) ausgerichteten Massnahmen zu kombinieren, etwa mit «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), mit «Bildung einer starken Lobby» (siehe unter 5.2.2 ab Seite 375) und/oder «Modell 2: Gegenleistung» (siehe unter 5.3 ab Seite 386) zu kombinieren. Unrealistisch (Eidgenössisches Jobin, Bühlmann u.a. 1996, 121, vgl. oben unter 3.8.1 ab Seite 128) ist eine Frauenförderung in der Erwerbswelt ohne «Modell 4: gerechte Verteilung der Haus- und Familienarbeit zwischen Frau und Mann» (siehe unter 5.5 ab Seite 422). Damit Männer gefahrlos Terrain in der Erwerbswelt preisgeben – also Frauenförderung unterstützen – können, müssen ihre Verankerungen und ihr Einfluss in der Familienwelt verstärkt werden (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455).





    Massnahme 21: Betreuungsbonus für Kombination von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit
    Ein Bonus von etwa 600 Franken im Monat wird ausbezahlt an Personen, welche mindestens 20 Wochenstunden unbezahlte Arbeit, namentlich (Erziehungs- und Betreuungsarbeit oder Freiwilligenarbeit bzw. ehrenamtliche Arbeit) leisten und mindestens 20, höchstens aber 30 Wochenstunden Erwerbsarbeit.


    Bewertung der Massnahme 21
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ (+) + ++ ++ ++ ++ ++
    Zum Bewertungssystem, das dieser Punktebewertung von – – bis + + zugrunde liegt, vgl. oben unter 4.5 ab Seite 358.

    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme zielt nicht auf einen Ausgleich von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in dem Sinn, dass spezifische Diskriminierungen von Frauen aufgehoben würden. Dass das biologische Geschlecht keine Bedeutung mehr hat auf die Zuteilung von Arbeiten, ist aber eindeutig im Sinne der Leitlinie LG.
  • Kinder bleiben in der Objektposition. Da diese Massnahme auch weniger als andere Massnahmen – etwa als eine eigentliche Gegenleistung für Erziehungs- und Betreuungsarbeit – eine Anerkennung von Erziehungs- und Betreuungsarbeit darstellt, gibt es auch bloss eine sehr geringe indirekte Verbesserung der Sicht für die Situation von Kindern.
  • Diese Massnahme anerkennt Haus- und Familienarbeit nicht als gegenleistungsberechtigte Arbeit, sondern möchte Haus- und Familienarbeit prinzipiell als weiterhin abgewertete Arbeit immerhin umverteilen. Die Notwendigkeit, einen Bonus auszubezahlen, bringt in einem gewissen Mass sogar zum Ausdruck, dass hier eben eine nachteilige Arbeit umzuverteilen ist, und kompensiert die Nachteiligkeit, statt sie zu beheben, was auch eine Stabilisierung der Nachteiligkeit mit sich bringen könnte. Nur dass Haus- und Familienarbeit immerhin als umzuverteilende Arbeit aktiv behandelt wird, impliziert eine gewisse Aufwertung.
  • Das Konzept der doppelten 25-Stunden-Woche (je 25 Stunden unbezahlte und bezahlte Arbeit) stellt den Rahmen für den Betreuungsbonus in der entsprechenden Publikation der SPS dar. Dieses Modell dürfte sich, wie an verschiedenen Stellen bereits dargestellt, wegen der Verminderung der geschlechtsspezifischen Sozialisation und der Annäherung der Lebenswelten der Geschlechter ausgesprochen positiv auf die Beziehungen namentlich zwischen den Geschlechtern auswirken. Die Aneignung von «Expansivität» durch Frauen und von «Liebesfähigkeit» durch Männer (Becker 1995, 203 vgl. oben Seite 238 und die Angaben Seite 300) setzen ganz generell Vorteile für Beziehungen auch zwischen Angehörigen derselben Geschlechtergruppe. Auch die Isolation der Hausfrauen und Hausmänner (siehe oben unter 3.4.1 ab Seite 101) wird durch die Kombination der Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit entscheidend reduziert.
  • Die Umverteilung der bezahlten und der unbezahlten Arbeit bedeutet eine Aneignung von «Expansivität» durch Frauen und von «Liebesfähigkeit» durch Männer. Dies gleicht wichtige Defizite der Geschlechter in Hinsicht auf die Persönlichkeit aus, wie vorliegende psychologische Untersuchungen zeigen (Becker a.a.O.). Es sind also deutlich positive Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten.
  • Diese Massnahme trägt zu einer Klärung des Arbeitsbegriffes bei. Denn mit der Notwendigkeit der Umverteilung der unbezahlten Arbeit wird auch ihr Einschluss als gesellschaftlich notwendige Arbeit in den allgemeinen Arbeitsbegriff vorangebracht. Es wird eine Diskussion über Wünschbarkeit unterschiedlicher Arten von Arbeitsteilungen angestossen, die durchaus auch über das Modell der «doppelten 25-Stunden-Woche» hinausführen kann. Etwas wenig Beachtung findet das Kriterium der kritischen Distanz der Arbeitenden zur Arbeit (LA5): 50 Wochenarbeitsstunden sind doch beachtlich. Dennoch, wenn auch knapp, ist diese Massnahme, verglichen mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge, als sehr positiv hinsichtlich Arbeitsbegriff und zugehöriger Wertungen einzuschätzen.
  • Diese Massnahme fördert das Modell 4a der egalitären Arbeitsteilung in Zwei-Eltern-Familien mit 1200 Franken monatlich (je 600 Franken für beide Elternteile), zugleich jedoch auch erwerbstätige (!) Alleinerziehende. Es werden damit bestimmte unkonventionelle Familienformen gefördert, während andere unkonventionelle Formen – umgekehrte Arbeitsteilung in Berufsfrau-Hausmann-Familien oder Ein-Eltern-Familie ohne Erwerbstätigkeit dieses Elternteiles – ohne Bonus bleiben. Im Vergleich zum Status quo stellt jedoch auch das eine starke Verbesserung dar.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist die Kombination mit einer wirklichen Gegenleistung, im besten Fall mit einem «Erziehungsgehalt» (siehe unter 5.3.3 ab Seite 395) und zugleich mit «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447), damit die Voraussetzungen von Frauen und Männern für eine innerfamiliäre Umverteilung ausgeglichener sind. Das Vorhandensein genügender (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508) und genügend gesicherter (siehe unter 5.11.2 ab Seite 513) Teilzeitstellen ist unabdingbare Voraussetzung der «doppelten 25-Stunden-Woche». Die Konzeption «Aufhebung des Dualismus Freizeit-Arbeitszeit in einem differenzierteren Modell» (siehe unter 5.12.1 ab Seite 530) ist wünschenswert als Kombinationsmassnahme, da diese Perspektive Entwurf und Ausführung kreativ-selbstbestimmter Tätigkeitsbiographien inspiriert und unterstützt.





    Massnahme 22: Forschung, Bildung und Beratung für Vollzeit- und Teilzeithausmänner
    Es wird gezielte Forschung, Bildung und Beratung als Support für Vollzeit- und Teilzeithausmänner, ausserdem überhaupt für Männer, welche sich mit männlicher Sozialisation (individuell oder allgemein) auseinandersetzen wollen, unternommen.
    Es ist damit zu rechnen, dass eine stärkere Beteiligung der Männer an der Haus- und Familienarbeit eines der wichtigeren Themen und Ziele sein wird. Auch über unterschiedliche («männliche») Art und Weise, über «Stile», Haus- und Familienarbeit zu leisten also, dürfte nachgedacht werden.


    Bewertung der Massnahme 22
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + + ++ ++ ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme ist eine direkte Förderung von Geschlechtergleichstellung, wenn auch für einmal nicht auf der Frauen- sondern auf der Männerseite. Hier wird unter anderem direkt geschlechtsspezifische Sozialisation thematisiert und werden Entwicklungen, welche quer zu Geschlechterstereotypen verlaufen, unterstützt.
    Eine stärkere Beteiligung der Männer an der Haus- und Familienarbeit dürfte dabei, auch von Männerseite her, ein wesentliches Thema werden. Eine solche Erhöhung des Engagements ist auch eine elementare Bedingung der Gleichstellung der Frauen in der Erwerbswelt. Damit steht diese Massnahme auch stark im Gleichstellungsinteresse der Frauen (Jobin, Bühlmann u.a. 1996, 121).
  • Es ist anzunehmen, dass eine Diskussion über unterschiedliche Stile von Haus- und Familienarbeit, speziell über unterschiedliche Stile von Erziehungs- und Betreuungsarbeit entsteht. Damit wird die Möglichkeit, Kinderinteressen einzubringen, deutlich verbessert, auch wenn diese Massnahme Kinder – jedenfalls zunächst – in einer Objektposition belässt.
  • Leider ist festzustellen, dass Arbeiten, je mehr sie von Frauen getätigt werden, desto weniger Anerkennung erhalten, und je mehr sie «männliche» Konnotationen erhalten, desto mehr als bedeutsame Leistung anerkannt werden. In diesem Sinn ist durch diese Massnahme eine deutliche Aufwertung zu erwarten. Allerding ist dieser Mechanismus der Aufwertung problematisch und könnte auch eine zusätzliche Abwertung von «weiblichen» Stilelementen in der Haus- und Familienarbeit mit sich bringen. Daher lautet die Bewertung hier nur «+».
  • Es ist anzunehmen, dass Beziehungsqualitäten in der Familie wesentlich verbessert werden, da nun gerade auch Beziehungsstile thematisierbar werden.
  • Diese Massnahme bietet insbesondere Männern eine Reihe interessanter Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung, vergrössert ihre Wahlfreiräume und bietet ihnen Rückendeckung für unterschiedliche selbstgewählte Entwicklungen.
  • Diese Massnahme wertet Haus- und Familienarbeit gerade für Männer auf und erweitert so den bisher «männlich» geprägten Arbeitsbegriff wesentlich.
  • Es ist anzumehnmen, dass sich im Rahmen des durch diese Massnahme initiierten Diskurses über die «weibliche» Prägung und Besetzung von Familie und über mögliche Integrationen «männlicher» Stilelemente eine grundlegendere Diskussion über Familie ergibt, welche zu Beurteilungskriterien quer zu den Familienformen führen dürfte. Generell führt eine solche Diskussion zu Grundsatzfragen, welche Problematiken bisheriger Familiendefinitionen und bisheriger Wertungen in diesem Bereich zeigen und Neudefinitionen und -wertungen anregen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Sinnvoll sind eine Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), welcher aufzeigt, um «wieviel» es geht, und eine Kombination mit «Förderung nicht erwerbsarbeitszentrierter Identitätsbildungen» (siehe unter 5.2.3 ab Seite 379), welche aus einer anderen Perspektive ähnliche Identitätsentwicklungsprozesse anstösst und unterstützt.
    Damit Männer in der Familie Terrain gewinnen können, müssen Frauen Terrain preisgeben können. «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.6.1 ab Seite 462) zeigt auf, um welches Terrain es tatsächlich geht, und «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Frauen hier gefahrlos Terrain teilweise verlassen können.





    Unter-Massnahme 23: Ein Mass Manilie in die Femalie
    Die «weiblichen» Art und Weise (bzw. genauer gesagt «Arten und Weisen»), Familie zu gestalten («Femalie»), wird um «männliche» Elemente («Manilie») ergänzt. Impulse und Prozesse in diese Richtung werden durch Bildungs-, Beratungs- und allenfalls Medientätigkeit unterstützt, aber auch initiiert. Ziel ist es, analog der Veränderung der Kultur der Erwerbswelt, welche notwendig ist für eine tiefergehende Beteiligung der Frauen an diesem Lebensbereich (vgl. oben unter 4.4.2.4.2 ab Seite 261), eine Veränderung der Kultur der Familienwelt zu erwirken als notwendige Bedingung einer tiefergehenden Beteiligung der Männer an der Haus- und Familienarbeit.
    Diese Prozesse sollen unter verschiedenen Gesichtspunkten empirisch erfasst und einer kritischen, unter anderem familienpsychologischen Diskussion zugeführt werden.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht derjenigen der Massnahme 22.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Als Kombinationen sind hier zunächst dieselben zu nennen wie bei der Massnahme 22. Dazu kommen einige weitere. Es ist wichtig, eine Stärkung der Verankerung und des Einflusses der Männer im Lebens- und Arbeitsbereich der Familie mit dem Ausbau einer Lobby der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.2.2 ab Seite 375) zu kombinieren. Diese Lobby dürfte zunächst von Frauen bestimmt sein und so ein für einen sinnvollen Prozess entscheidendes Gegenüber zum Manilie-Konzept bilden. Zugleich dürfte eine zunehmende Integration der entsprechenden Männer in diese Lobby stattfinden.
    Wünschenswert ist zudem eine Kombination mit dem «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit» (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520). Denn das Manilie-Konzept stellt in einem gewissen Mass einen Transfer von der Erwerbswelt zur Familienwelt dar, welcher durch einen Transfer in die umgekehrte Richtung zu ergänzen ist. Wünschenswert ist auch eine Kombination mit der Konzeption einer «neuen Aufteilung, Zielsetzung und Fokussierung der menschlichen Tätigkeitszeit» (siehe unter 5.12.1 ab Seite 530), um dem Manilie-Konzept einen grösseren Denkhorizont zu vermitteln und eine Kombination mit «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542).





    Unter-Massnahme 24: Geschlechterinteraktionsorientierte Perspektive für Forschung, Beratung und Bildung
    Interaktionen, Interaktionsprobleme und Interdependenzen zwischen Frauen und Männern im Prozess der Umverteilung der Haus- und Familienarbeit wird durch entsprechende Förderung in Forschung, Beratung und Bildung grössere Aufmerksamkeit geschenkt.


    Kurzbewertung
    Diese Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Massnahme 22. Die Verbesserung der Qualität von Beziehungen im Sinne der Leitlinie LB steht hier noch stärker im Zentrum.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier ist die Kombination mit «Supervision» (siehe unter 5.6.2 ab Seite 463) wichtig, damit ein längerfristiger Prozess der Umverteilung in Zwei-Eltern-Familien konstant realisiert werden kann, und nicht an punktuellen Schwierigkeiten scheitert. Sehr wichtig ist ausserdem die Massnahme «Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502), damit die Intensivierung der Kooperation unter den Eltern nicht zu einer übermässigen Stärkung ihrer Position gegenüber den Kindern führt, sondern diese als die «Dritten im Bunde» angemessene und offene Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten.





    Massnahme 25: Diskussion eines arbeitsfreien Tages für Hausfrauen und Hausmänner
    Erwerbsarbeit lässt zwei freie Tage pro Woche, Haus- und Familienarbeit keinen. In Berufsmann-Hausfrau-Familien (theoretisch auch in Berufsfrau-Hausmann-Familien) könnte daher einer der beiden arbeitsfreien Tage der jeweiligen vollzeiterwerbstätigen Person umzuverteilt werden hin zur Hausfrau (bzw. hin zum Hausmann). Diese Arbeitsteilung soll häufiger dargestellt, diskutiert und evtl. propagiert werden (u.a. in Familienberatungen).


    Kurzbewertung
    Die Wertung entspricht in der Verteilung der Punkte auf die Leitlinien dem Modell 4a, die Gesamtbewertung liegt etwas tiefer. Stärken dieser Massnahme liegen in der Schaffung von Distanz zur Arbeit auch für Hausfrauen und Hausmänner und in der Chance, Haus- und Familienarbeit umzuverteilen, wobei vermutlich sogar ein beachtlicher Teil der immateriellen Arbeit mitumverteilt wird. Eine besondere Stärke ist, dass diese Arbeitsteilung individuell jederzeit möglich ist, auch solange strukturelle Veränderungen auf sich warten lassen. Dieser Vorteil der Realisierbarkeit findet allerdings im Bewertungssystem dieser HausArbeitsEthik keine Berücksichtigung.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier ist eine Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) wesentlich, damit die gesamte Haus- und Familienarbeit und eine gerechte Verteilung dieser gesamten Arbeit im Gesichtsfeld bleibt. Wesentlich ist ausserdem die «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.6.1 ab Seite 462), da es entscheidend ist, dass auch immaterielle Haus- und Familienarbeit mit dieser Massnahme mitumverteilt wird.





    Modell 5: Qualifizierung
    Haus- und Familienarbeit ist eine gesellschaftlich entscheidende Arbeit mit nicht selten hohen Qualifikationsanforderungen. Um diesen besser gerecht werden zu können, werden entsprechende Bildungsangebote eingeführt. Diese sollen folgende Kriterien erfüllen:
    –Sie stellen die Bezüge her zwischen Qualifikationen im Bereich der Haus- und Familienarbeit und Qualifikationen im Erwerbsbereich.
    –Sie gehen von einer sachgerechten Einschätzung der Haus- und Familienarbeit als einer Arbeit mit oft hohen, manchmal sehr hohen Qualifikationsanforderungen aus.
    –Sie sind zukunfts- und nicht defizitorientiert.
    –Sie unterstützen selbständiges und Normen gegenüber kritisches Denken und transportieren möglichst wenig implizite moralische Vorstellungen.
    –Sie optimieren die Art und Weise der Haus- und Familienarbeit.


  • Bewertung der Massnahme 25
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + (+) ++ + ++ ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme ändert nicht direkt Arbeitszuweisungen an Geschlechter. Allerdings können die Zugänge zur Haus- und Familienarbeit für Männer durch solche Angebote (und durch ihre Auswirkungen auf die Haus- und Familienarbeit) durchaus verbessert werden. Haus- und Familienarbeit erhält eine Ernstnahme als Bildungsthema, die es selbstverständlich macht, dass auch Männer sich hier auf Bildungsprozesse einlassen.
  • Die Kinder bleiben auch hier in der Objektposition. Allerdings ist es denkbar, dass entsprechende Inhalte von Bildungsangeboten stark zu einer Anerkennung von Bedürfnissen und Selbstbestimmungsrechten von Kindern beitragen können.
  • Die Herstellung von Bezügen zu den Qualifikationen, wie sie in der Erwerbswelt gefragt sind, leistet eine Aufwertung der Haus- und Familienarbeit. Eine solche Aufwertung entsteht aber auch schon durch den Auf- bzw. Ausbau von Qualifizierungsangeboten.
  • Diese Massnahme dürfte dazu beitragen, die spezifische Isolation, welche Haus- und Familienarbeit im Unterschied zur Erwerbsarbeit mit sich bringt (s.o. unter 3.4.1 ab Seite 101), zu vermindern, da solche Bildungsangebote Hausfrauen und Hausmänner miteinander in Kontakte untereinander bringen. Dieser Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen dürfte allerdings nicht sehr gross sein.
  • Bildung im Bereich der Haus- und Familienarbeit als einer menschenorientierten Arbeit dürfte zu einem beachtlichen Teil Persönlichkeitsbildung sein oder sich auch als solche auswirken.
  • Angebote berufsbegleitender Bildung sind ein Muss für einen guten Betrieb. Auch Bildungsangebote im Bereich der Haus- und Familienarbeit sind ein Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Hervorzuheben ist hier besonders, dass zum Kriterium der Distanz (0), das im Feld der Haus- und Familienarbeit besonders oft und nachhaltig verletzt wird, stark beigetragen wird: Reflexion von Tätigkeiten ist eine elementare Art und Weise der Herstellung von sinnvoller Distanz.
  • Ein reflektierterer Umgang mit Haus- und Familienarbeit dürfte auch differenziertere Vorstellungen von Familie mit sich bringen und dementsprechend Voreingenommenheiten vermindern und zu einer sachgerechten Akzeptanz der unterschiedlichen Familienformen beitragen. Auch dieser Einfluss dürfte aber eher bei einem mittleren Mass bleiben.


  • Sinnvolle Massnahmenkombinationen
  • Massnahmen zur Qualifizierung müssen mit Massnahmen zur Anerkennung dieser Qualifizierung einhergehen, namentlich mit «Quotierung von Haus- und Familienarbeit Leistenden in politischen Gremien» (siehe unter 5.5.3.3 ab Seite 445), mit «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447) und mit «Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit» (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520). Eine allzu enge Verbindung von Qualifikationsförderung und -anerkennung mit Forderungen nach einer Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit sollte eher vermieden werden, damit nicht die Gegnerinnen und Gegner einer solchen Gegenleistung genötigt werden, die Qualifikationsanforderungen der Haus- und Familienarbeit herabzuspielen.





    Massnahme 26: Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit
    Die immaterielle Haus- und Familienarbeit, der Aspekt der emotionalen Versorgung also, die Personorientierung der Haus- und Familienarbeit ist der Kern dieser Arbeit und ihr charakteristischer Unterschied zur Erwerbsarbeit. Die Unterschätzung oder gar Tabuisierung dieser Tatsache hat verschiedene Schwierigkeiten zur Folge. Demgegenüber werden Bildungsangebote realisiert, die sich der Reflexion dieses Kernes widmen und die die Möglichkeiten eines kritischen und aktiven Umganges mit diesen zentralsten Elementen der Haus- und Familienarbeit erweitern.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modelles 5 «Qualifizierung». Allerdings ist aufgrund des spezifischen Inhaltes die Wirksamkeit im Sinne der Leitlinie LG und tendenziell auch der Leitlinie LK, insbesondere auch der Leitlinie LB und LF, daneben auch der Leitlinie LP grösser. Die Gesamtbewertung fällt eindeutig mit «++» aus.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hauptsächlich sind dieselben Kombinationen zu nennen wie beim Modell 5. Darüber hinaus ist die Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) wichtig, um einer Marginalisierung dieses Reflexionsbedarfes entgegenzuwirken.





    Massnahme 27: Supervision
    Es wird ein attraktives, möglichst auch diverses Angebot von Supervision für Hausfrauen und Hausmänner aufgebaut.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modelles 5 «Qualifizierung». Allerdings ist aufgrund des spezifischen Inhaltes und insbesondere der spezifischen Unterstützungsform eine grössere Wirksamkeit im Sinne der Leitlinie LK und tendenziell auch der Leitlinie LG, ganz besonders jedoch auch der Leitlinie LB und LP, daneben auch der Leitlinie LF zu erwarten. Die Gesamtbewertung fällt eindeutig mit «++» aus.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Es sind dieselben Kombinationen wie beim Modell 5 zu nennen. Ausserdem kann die Massnahme «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) die Legitimation einer öffentlichen Förderung von Supervisionsangeboten deutlich machen. Zugleich kann diese Kombination eine «Paar-Internalisierung der Haus- und Familienarbeit», womit eine allenfalls durch eine Supervision sogar verstärkte Privatisierung des Themas der Haus- und Familienarbeit gemeint ist, durch eine deutliche Darstellung der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Arbeit vermeiden.





    Massnahme 28: Fähigkeitsausweis für Familien- und Hausarbeit
    Das «Syndicat des Personnes Actives au Foyer à temps partiel ou complet» SPAF (siehe Adressverzeichnis) bearbeitet ein Projekt, dessen Ziel die Einführung eines vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit BIGA anerkannten Fähigkeitsausweises für Familien- und Hausarbeit ist. Dieser Bildungsgang ermöglicht es Hausfrauen und Hausmännern, sich in der Familienphase weiter zu qualifizieren. Der Haushalt wird als Arbeits- und Ausbildungsplatz betrachtet, einmal wöchentlich findet Berufsschule statt (SPAF o.J.). Nachdem Bedürfnisabklärung sowie juristische und administrative Vorbereitungen abgeschlossen sind, werden nun zusammen mit Berufsschulen die Kursinhalte entwickelt. Der Bildungsstoff muss in Module zusammengefasst und schweizerisch anerkannt werden. Über das Fähigkeitszeugnis soll der Zugang zur Berufsmatura möglich sein (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann 1998, 24). Der Kanton Genf wird den ersten Ausbildungsgang zum «gestionnaire en économie familiale» im September 2000 starten (Estier 1999).


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modelles 5 «Qualifizierung». Noch stärker als dort wird hier der Leitlinie LL entsprochen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Auch hier sind dieselben Kombinationen wie beim Modell 5, und ebenfalls zusätzlich der «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) zu nennen wie bei der letzten Massnahme und aus analogen Gründen. Wünschenswert – an sich auch einfach konsequent – ist es, wenn sich das Begreifen des Haushaltes als Arbeitsplatz in einer Gegenleistung, etwa in Form eines Erziehungsgehaltes (siehe unter 5.3.3 ab Seite 395) niederschlägt und wenn eine (im weitesten Sinne) ergonomische Gestaltung dieses Arbeitsplatzes (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) realisiert wird, namentlich durch Massnahmen im Bereich von Siedlungs- und Verkehrsplanung (siehe unter 5.7.3 ab Seite 474), speziell mit «Inseln für Kinder und Hausfrauen bzw. Hausmänner» (siehe unter 5.7.4 ab Seite 477) und mit «Indoor-Inseln» alias «Mütterzentren» (siehe unter 5.7.4.1 ab Seite 477).





    Modell 6: Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen der Haus- und Familienarbeit
    Ganz generell kann die Gestaltung eines jeden Arbeitsplatzes beitragen zu guten Arbeitsergebnissen, zu Verminderung von Belastungen, zu Vereinfachungen von Arbeitsabläufen und einer angenehmen Arbeitsatmosphäre – oder eben auch nicht. Der Arbeitsplatz der Haus- und Familienarbeit ist etwas weiter zu fassen als der Arbeitsplatz vieler anderer Arbeiten. Zu ihm gehören Wohnung, Wohnumgebung und Rahmenbedingungen, welche durch andere Institutionen gesetzt werden. Im Modell 6 wird eine möglichst weitgehende Verbesserung dieser Arbeisbedingungen angestrebt: Der Arbeitsplatz der Haus- und Familienarbeit soll für diese Arbeit förderlich gestaltet sein. Dieses Modell wird in den folgenden Massnahmen dann exemplarisch konkretisiert.


    Kurzbewertung
    Diese Massnahme realisiert vor allem die Ziele von LA für die Haus- und Familienarbeit und bedeutet zugleich eine Aufwertung der Haus- und Familienarbeit im Sinne der Leitlinie LL. Damit wirkt sich diese Massnahme auch positiv auf Hausfrauen und Hausmänner im Sinne der Leitlinien LP und LB aus, dies allerdings je nach konkreten Massnahmen, mit denen dieses Modell realisiert wird. Analog den Modellen 1, 2 und 3 ist die Wirkung auf die Verteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern ambivalent.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Dementsprechend sind auch hier insbesondere Kombinationen mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit wesentlich (siehe oben unter 5.5 ab Seite 422).





    Massnahme 29: Küchenarchitektur
    Es werden die Entwicklung und der Bau von Küchen gefördert, die
    –ergonomisch eingerichtet,
    –im Grundriss zentral gelegen,
    –architektonisch offen,
    –für längeren Aufenthalt angenehm konzipiert (grosse, besonnte Fenster, lärmabgewandte Hausseite usw.) und
    –für das gleichzeitige Arbeiten mehrerer Personen eingerichtet

    Förderung geschieht beispielsweise durch Finanzierung der Entwicklung von Prototypen, entsprechende Öffnung oder entsprechende Festlegung der Normen für subventionierten Wohnungsbau, durch Einzelförderung von Bauprojekten mit Pionierfunktion, durch entsprechende Forschungsförderung und/oder durch Anpassung der Architekturausbildungen.


  • Bewertung der Massnahme 29
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + + ++ ++ + + + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Die Gestaltung der Küche in dieser Art wirkt im Vergleich zu einer eher versteckten und kleinen Küche der «ungesehenen» Ungleichverteilung der Haus- und Familienarbeit entgegen. Es ergibt sich eine Beurteilung von «+», da die bessere Sichtbarmachung von Ungleichverteilung bereits einen wesentlichen Schritt darstellt, aber an Effizienz gegenüber anderen Massnahmen zurücksteht.
  • Wirkung dieser Umgestaltung der Küche auf die Geschlechtergleichstellung in der Küche kann entscheidend verbessert werden durch Kombination mit entsprechenden weiteren Massnahmen.
  • Die Offenheit und Eignung der Küche für gleichzeitige Arbeit meherer Personen fördert die Möglichkeit der Intergration der Kinder in die Haus- und Familienarbeit und damit ihre Ernstnahme als Personen mit Pflichten und Rechten. Jedoch wurde bisher in all diesen Küchenkonzepten die Kindergerechtheit der Küchen nie eigens berücksichtigt! Dies sollte bei einer Realisierung dieser Massnahme eigenes Gewicht erhalten.
  • Indem die Küche arbeitstechnisch effizient eingerichtet wird, wird der Leistung der materiellen Haus- und Familienarbeit Rechnung getragen. Die anderen vier obengenannten Kriterien (zentrale Lage, Offenheit usw.) tragen der Bedeutung der immateriellen Haus- und Familienarbeit Rechnung. Die Anerkennung der Haus- und Familienarbeit als Leistung im Sinne der Leitlinie LL wird hier im Bereich der Wohnungsarchitektur weitgehend realisiert.
  • Offenere und für die gemeinsame Arbeit mehrerer Personen geeignete Küchen schaffen gute Kontaktgelegenheiten und vermindern damit die Isolation der Hausfrauen und Hausmänner. Auch qualitativ ist eine Verbesserung von Beziehungen denkbar, da die emotionale Versorgung, welche «durch den Magen geht», sichtbarer wird und für Männer die Möglichkeit entsteht, an solcher Versorgungsarbeit teilzunehmen.
  • Vor allem die soeben unter Leistungsanerkennung genannten Aspekte bewirken einen bewussteren Umgang mit den eigenen materiellen und immateriellen Bedürfnissen: Die entsprechenden Leistungen der Haus- und Familienarbeit werden sichtbar gemacht. Möglichkeit und Anregung zu Entwicklungen weg von den geschlechterstereotypen einseitigen Versorgungsverhältnissen sowohl im emotionalen als auch im praktisch-alltäglichen Bereich werden gegeben und damit Möglichkeit und Anregung zu selbständigen Persönlichkeitsentwicklungen. Wieweit diese Möglichkeiten und Anregungen genutzt werden (können), dürfte von parallelen Massnahmen (wie beispielsweise einer «geschlechterinteraktionsorientierten Perspektive für Forschung, Beratung und Bildung», siehe unter 5.5.3.7.2 ab Seite 457) abhängen.
  • Diese Massnahme bringt jeweils leichte Verbesserungen hinsichtlich der Integration der Haus- und Familienarbeit in den Arbeitsbegriff, einer sinnvolleren Verteilung der Arbeit – namentlich auch zwischen Erwachsenen und Kindern –, einer Verminderung von Isolation bei Arbeit und in anderen Punkten.
  • Auf die Definition von Familie und auf die Wertungen in diesem Bereich hat diese Massnahme kaum Wirkungen, welche nicht in den anderen Leitlinien schon berücksichtigt wären. Diese Massnahme diskriminiert aber ihrerseits auch keine Familienform.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    a)  Männerförderung in der Familie:
    Diese Massnahme bietet einen infrastrukturellen Beitrag zur kooperativen Beteiligung der Männer an der Haus- und Familienarbeit. Die Nutzung dieser Möglichkeit hängt wesentlich von paralleler Förderung (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) von nicht geschlechtsrollenkonformen Entwicklungen der Männer ab.
    b)  Kindergerechte Küchengestaltung:
    Wie oben angesprochen, könnte die Küche zusätzlich kindergerecht eingerichtet werden. Die entsprechende Beurteilung unter LK würde von «+» auf «++» verbessert. Auch die Arbeitseffizienz der Infrastruktur für den Hausmann bzw. die Hausfrau würde entscheidend verbessert. Denn die Kinderbetreuung und -förderung als wesentliche Arbeitsleistung im Bereich der Haus- und Familienarbeit kann so entscheidend vereinfacht und verbessert werden. Auch diese Bewertung unter LA wäre dann mit «++» vorzunehmen. Da die Massnahme einer kindergerechten Küchengestaltung in diesem Kapitel nicht eigens aufgenommen ist, wird stattdessen und in diesem Sinn eine Kombination mit «Modell 9: Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) vorgeschlagen.





    Massnahme 30: Siedlungs- und Verkehrsplanung
    In der Siedlungs- und Verkehrsplanung werden die Bedürfnisse der Hausfrauen und Hausmänner den Bedürfnissen Vollzeiterwerbstätiger gleichgestellt. Dies bedeutet insbesondere:
    – Abkehr von der reinen Wohnzone: Wohngebiete sind zu durchdringen mit kleinem Gewerbe, insbesondere mit Betrieben, welche beitragen zu einer dezentralen Versorgung mit Konsumgütern und Dienstleistungen des täglichen und periodischen Bedarfs, mit möglichst unterschiedlichen wohnungsnahen Erwerbsarbeitsplätzen, mit Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten unterschiedlichster Art, mit Kontaktgelegenheiten (Cafés, kulturellen Angeboten u.ä.) und welche Anregungen und Lernfelder für Kinder (Holzabfälle von Schreinereinen zum Basteln etc.) bieten.
    – Priorität der Fuss- und Radwegverbindungen und des öffentlichen Verkehrs vor der Automobilität: Bau von direkten, gut beleuchteten Fuss- und Radwegen, Reduktion der Höchstgeschwindigkeit innerorts, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, in kleinen Städten und in Quartieren, allenfalls Einrichtung eines Chamäleons zwischen Bus und Taxi (Kleinbus mit teilweise fixen Routen und teilweiser Möglichkeit von Fahrten auf Bestellung per Telefon oder per Funk ab den Haltestellen).


    Bewertung der Massnahme 30
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    0 ++ ++ ++ + ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Die Massnahme bringt die Bedürfnisse der Hausfrauen und Hausmänner zu Gesicht und stellt damit auch die bisher vor allem «weibliche» Leistung der Hausfrauen und Hausmänner vor Augen, trägt aber an sich kaum zu einer Umverteilung der Haus- und Familienarbeit und zu einer Geschlechtergleichstellung bei. Möglicherweise besteht hier wie bei anderen Massnahmen speziell zugunsten von Hausfrauen (Hausmänner bleiben als sehr kleine Minderheit dann oft ausser Gesicht) sogar eine gewisse Gefahr der Stabilisierung von Geschlechterrollen durch Anerkennung und Befriedigung von Hausfrauenbedürfnissen.
  • Hier werden die Bedürfnisse von Kindern zwar indirekt mitberücksichtigt, aber in einem für sie so bedeutsamen Bereich und in einem so grossen Mass, dass dies die Tatsache überwiegt, dass hier Kinder nicht direkt als Subjekte wahrgenommen werden.
  • Die gleichgestellte Berücksichtigung der Bedürfnisse von Hausfrauen und Hausmännern gegenüber den Bedürfnissen vollzeiterwerbstätiger Personen bedeutet eine sachgerechte Einschätzung der Haus- und Familienarbeit als Leistung.
  • In verschiedenster Hinsicht fördern sowohl die Durchmischung von Wohngebieten mit kleinem Gewerbe der genannten Art als auch der Vorrang von Fuss-, Rad- und öffentlichem Verkehr Kontakte und Beziehungen. Die gleichmässigere Berücksichtigung von Bedürfnissen von Kindern, Hausfrauen und Hausmännern und Vollzeiterwerbstätigen trägt ausserdem zur Ausgeglichenheit von Beziehungen bei.
  • Diese Massnahme stützt in verschiedener Hinsicht die Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Kindern, vergrössert damit die Freiräume von Hausfrauen bzw. Hausmännern deutlich und leistet so einen wesentlichen Beitrag zu einer guten Entwicklung der Persönlichkeit.
  • Speziell die Durchmischung der Wohngebiete mit Erwerbsarbeitsplätzen bei gleichzeitiger Gleichstellung der Bedürfnisse von Hausfrauen und Hausmännern kann auf anschauliche Weise einen sachgerecht weiten Arbeitsbegriff vermitteln. Der Naturkontakt (siehe oben unter 0 auf Seite 330) wird verstärkt.
  • Auf die Definition von Familie und auf die Wertungen in diesem Bereich hat diese Massnahme kaum Wirkungen, welche nicht in den anderen Leitlinien schon berücksichtigt wären. Diese Massnahme diskriminiert aber ihrerseits auch keine Familienform und trägt dadurch zur sachgerechten Anerkennung unterschiedlicher Familienformen bei.


  • Sinnvolle Massnahmenkombinationen
  • schwächste Punkt dieser Massnahme ist die unsichere Wirkung auf die Gleichstellung. Eine gezielte Kombination mit Männerförderung im Familienbereich (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) könnte klarstellen, dass hier die Bedürfnisse von Hausfrauen und Hausmännern mit den Bedürfnissen von Vollzeiterwerbstätigen gleichgestellt werden, was eben auch ein Beitrag zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern sein kann.
  • synergetisch lässt sich diese Massnahme mit einer Stärkung der «Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) kombinieren.





    Massnahme 31: Eltern- und Kindertreffs als Indoor-Inseln
    Es werden in möglichst wohnungsnahen, geeigneten Räumlichkeiten verschiedene Angebote für Kinder und deren Eltern zusammengefasst und so ein Treffpunkt und ein spezifischer Lebensraum geschaffen («Mütterzentrum», «Quartiertreff» o.ä. genannt).


    Bewertung der Massnahme 31
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + + ++ ++ ++ + + ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Zentren heissen da und dort «Mütterzentren». Dies zeigt an, dass solche Zentren weniger auf eine Überwindung von Geschlechterstereotypen ausgerichtet sind, sondern zunächst auf eine Anerkennung von Hausfrauen als solche und auf die Schaffung von Raum, Begegnung und Unterstützung für sie. Wie wohl und unterstützt sich aktive Väter da fühlen, wäre zu untersuchen. Die Angebote solcher Zentren sind aber meist wenig homogen und schaffen verschiedene Anstösse für eine Diskussion und auch für konkrete Veränderungen der Geschlechterrollen.
  • Je nach Ausgestaltung und je nach konkreten Angeboten können Kinderbedürfnisse eher weniger oder sogar sehr deutlich berücksichtigt sein. Insgesamt entsteht in jedem Fall auch für Kinder ein möglicher Lebensraum mehr.
  • Solche Zentren schaffen eine Organisation und einen «Standort» für ein gemeinsames Eintreten für Anerkennung der Leistung der Hausfrauen und Hausmänner in verschiedenen Formen. Eine solche Anerkennung muss für die Finanzierung zumindest der Räumlichkeiten ohnehin erkämpft und aufrechterhalten werden.
  • Beziehungsmöglichkeiten ebenso wie -qualitäten für Hausfrauen und Hausmänner ebenso wie für Kinder werden stark gefördert.
  • Die Trägerschaft dieser Zentren liegt zumeist bei einem Verein von Eltern. Hier wird «Expansivität» (Becker 1995, 203 vgl. oben Seite 238 und die Angaben Seite 300) als Persönlichkeitselement, das insbesondere bei Hausfrauen oft zu kurz kommt, gefordert und gefördert. Generell bieten solche Zentren Gelegenheit für die Wahrnehmung und auch die Vertretung eigener Bedürfnisse von Hausfrauen und Hausmännern.
  • Solche Zentren lassen die Trennung von Erwerbsarbeit und Familienwelt unangetastet. Allerdings gibt es in solchen Zentren so gut wie immer eine spannungsvolle, auch konfliktträchtige Durchmischung von bezahlter und von unbezahlter Arbeit. Dies führt sehr wohl zu tiefergehenden Reflexionen über «Arbeit», gerade auch zu Vergleichen von Erwerbsarbeit mit Haus- und Familienarbeit.
  • Solche Zentren schaffen Gelegenheiten für Begegnungen zwischen unterschiedlichen Familienformen. Inwieweit solche Begegnungen wirklich stattfinden, wäre ein interessantes Untersuchungsthema. Jedenfalls findet hier eine Anerkennung von Hausfrauen und Hausmännern in ihrer Funktion sowie eine Realisierung von Angeboten für Kinder statt, prinzipiell unabhängig von der Familienform, in der Erwachsene und Kinder leben.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wichtig, gerade angesichts des oben bei der Bewertung unter der Geschlechtergleichheit Gesagten, ist die Kombination mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern (siehe unter 5.5 ab Seite 422).
    Sehr synergetisch lässt sich auch diese Massnahme mit Stärkung der «Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) kombinieren.
    Hier bietet sich auch eine Vernetzung mit dem Modell der Ein-Eltern-Familie an, etwa eine Zusammenarbeit mit Ein-Eltern-Familien-Organisationen.





    Massnahme 32: Aktivspielplätze als Outdoor-Inseln
    Es werden Spielgebiete für Kinder und Jugendliche eingerichtet, welche eine naturnahe, selbstbestimmte und kreative Freizeitgestaltung im Freien erlauben.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Massnahme der Indoor-Inseln. Noch stärker als dort stehen hier die Bedürfnisse der Kinder im Zentrum.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Auch hier ist die Kombination mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern (siehe unter 5.5 ab Seite 422) wesentlich. Interessant könnte eine Verknüpfung von Aktivspielplätzen mit Angeboten spezifischer Mädchenarbeit und Angeboten spezifischer Jungenarbeit sein, die als geschlechtsspezifisches Angebot Anstösse zu aktivem Umgang mit Geschlechterrollen geben.
    Auch diese Massnahme lässt sich sehr synergetisch mit einer Stärkung der «Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) kombinieren.





    Massnahme 33: Haus- und familienarbeitsfreundliche Gestaltung von Kindergarten und Schule
    Kindergarten und Schule als wesentliche Rahmenbedingung der Haus- und Familienarbeit mit Kindern werde haus- und familienarbeitsfreundlich organisiert. Im Interesse der Hausfrauen und Hausmänner stehen:
    – wohnortnahe, überschaubare, d.h. kleine Schulen.
    – Schulen, in denen Lehrkräfte und Schulpflege bzw. Schulrat ihre Verantworung für Schul- und Lernklima aktiv übernehmen und ein entsprechendes Sensorium (wenn nicht darüber hinaus eine regelmässige Befragung von Kindern und Eltern) entwickeln.
    – Schulen mit einem kooperativen, aber auch konfliktfähigen, institutionalisierten Verhältnis zwischen organisierten Eltern, organisiertem Lehrkräftekollegium und Schulpflege bzw. Schulrat.
    – einheitliche Stundenpläne für Kinder in unterschiedlichen Schuljahren unter Miteinbezug des Kindergartenstundenplanes.
    – die Möglichkeit, die Schule als Ganztagesschule zu nutzen.


    Bewertung der Massnahme 33
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    (+) ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme hat auf die Geschlechtergleichstellung keine Wirkung. Sie ist allerdings selber geschlechtsneutral, verbessert «weibliche» Lebenslagen und macht die Haus- und Familienarbeit auch für Männer eher attraktiver.
  • Zwar wird hier wieder eher für Kinder als mit Kindern gehandelt. Da aber die Schule den wichtigsten Stressfaktor im Leben der Kinder darstellt (siehe oben Seite 155) ist eine Massnahme zur Verbesserung des Schul- und Lernklimas für das Leben von Kindern von so grosser Bedeutung, dass eine Bewertung mit «++» angemessen ist.
  • Diese Massnahme anerkennt und respektiert die Erziehungs- und Betreuungsarbeit von Eltern als Arbeit. Wünschenswert wäre allerdings eine Kombination mit anderen Massnahmen der Anerkennung (vornehmlich mit einem Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung), um einer Perzeption dieser Massnahme als einseitigem Entgegenkommen der Schule gegenüber Hausfrauen und Hausmännern entgegenzutreten.
  • Diese Massnahme verbessert die Kontakte deutlich, insbesondere unter den Eltern schulpflichtiger Kinder.
  • Durch die Verminderung des oft autoritären Umganges der Schule mit den Hausfrauen und Hausmännern und durch die Verminderung überdimensionierter Präsenzforderungen durch die unregelmässigen und unkoordinierten Stundenpläne werden die äusseren Bedingungen der Persönlichkeitsentwicklung verbessert.
  • Die als Ziel formulierte Kooperation von Eltern, Lehrkräften und Schulpflege bzw. Schulrat bedeutet eine Zusammenarbeit von unbezahlt, bezahlt und teilbezahlten Personen an einer nun gemeinsamen Sache. Dies kann, insbesondere wenn mit diesen Unterschieden bewusst umgegangen wird, am konkreten Beispiel Unlogiken des enggeführten Arbeitsbegriffes aufzeigen und zur Entwicklung eines adäquateren Arbeitsbegriffes führen. Die nun gemeinsame Ausrichtung an den Interessen und Bedürfnissen der Kinder als gemeinsamem Punkt der drei Parteien dürfte ausserdem zu einer besseren Orientierung des Arbeitens und damit tendenziell auch des Arbeitsbegriffes an der Konstruktivität des Arbeitszieles (formuliert als Kriterium in 0 oben Seite 329) führen.
  • In dieser Massnahme steht die Elternschaft mit ihren Funktionen im Zentrum, und zwar unabhängig von der Familienform, in der Elternschaft übernommen wird. Damit trägt diese Massnahme zu einer Verminderung der Diskriminierung von Familienformen bei. Der genannte Beitrag zu Beziehungen unter den Eltern schulpflichtiger Kinder dürfte ebenfalls in diese Richtung wirken.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Auch hier ist die Kombination mit Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern (siehe unter 5.5 ab Seite 422) wesentlich.
    Eine Kombination mit «Modell 9: Rechte für Kinder» (siehe unter 5.10 ab Seite 502) ist geradezu geboten.
    Bereits erwähnt ist die Bedeutung einer Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372).
    Auch spezifisches «Lobbying» (siehe unter 5.2.2 ab Seite 375) von Eltern, wie es etwa der Verein «Schule und Elternhaus» (siehe Adressverzeichnis) bietet, könnte die Kontinuität der Berücksichtigung der Bedürfnisse aus der Perspektive der Haus- und Familienarbeit mit Kindern sicherstellen und das Gespräch über laufende Anpassungen institutionalisieren.





    Massnahme 34: Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder
    Es werden in verschiedenen Varianten ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder eingerichtet. Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder sind Orte verschienster Art, an denen sich Kinder unterschiedlichen Alters ohne ihre Eltern aufhalten können, Orte also, an denen Betreuungspersonen zur Verfügung stehen. Diese Orte sind primär an den Bedürfnissen von Kindern ausgerichtet und erhöhen also die Lebensqualität derjenigen Kinder, die diese Orte besuchen. Zugleich entlasten sie Hausfrauen und Hausmänner durch zeitweise Übernahme der Kinderbetreuung.
    Reproduktionsarbeit ist eine Leistung von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit und speziell auch der Wirtschaft an den für den Betrieb solcher ausserfamilialen Lebenswelten notwendigen Aufwendungen ist sachlich gesehen angebracht.
    Einleuchtend etwa könnte es sein, wenn die Wirtschaft, deren Interesseverfolgungen massgeblich zum Rückgang kinderfreundlicher Lebensräume beigetragen haben und die zugleich von der Reproduktionsarbeit längerfristig direkt profitiert, sich auf die Bedürfnisse von Vorschulkindern konzentrieren und sich am Aufbau ausserfamilialer Lebenswelten für diese Altersgruppe aktiv beteiligen würde, während sich Bund, Kantone und Gemeinden auf das Schulalter konzentrieren könnten und für gute Kombinationen von ausserfamilialen Lebenswelten mit Kindergarten und Schule sorgen würden.
    Bewertung der Massnahme 34
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + ++ ++ ++ ++ 0 ++ +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme trägt nicht direkt zur Gleichstellung der Geschlechter bei. Sie macht allerdings den Arbeitsbereich der Haus- und Familienarbeit tendenziell für Männer eher attraktiver und eröffnet Männern dadurch, dass diese Massnahme auch unkonventionelle Formen von familienexterner Kinderbetreuung umfasst, Räume für selbstbestimmte Arten und Weisen, Haus- und Familienarbeit zu leisten (vgl. oben unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455). Die Entlastung von Erziehungs- und Betreuungsarbeit durch diese Massnahme kann ausserdem wesentlich zu einer gewissen Annäherung an eine Gleichstellung der Frauen in der Erwerbswelt beitragen, solange die Haus- und Familienarbeit (noch) ungleich verteilt ist.
  • Diese Massnahme belässt Kinder zwar in der Objektposition, richtet sich aber primär an ihren Bedürfnissen aus. Denkbar wäre ein Einbezug von Möglichkeiten der Mitbestimmung von Kindern. Aber auch ohne dies wird mit dieser Massnahme den Bedürfnissen von Kindern in einem sehr hohen Mass entsprochen.
  • Wenn in der angesprochenen, aussagekräftigen Art und Weise Öffentlichkeit und Wirtschaft zur Realisierung dieser ausserfamilialen Lebenswelten beitragen, und so ein Teil der notwendigen Lei-stungen für das Heranwachsen einer neuen Generation sinnig umverteilt wird, geht damit eine sehr deutliche Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit einher.
  • Diese Massnahme ist sehr beziehungsförderlich für die Kinder. Dies kann allerdings erst in zweiter Linie unter diesem Punkt bewertet werden. In erster Linie ist hier die Beziehungsförderlichkeit für Hausfrauen und Hausmänner zu beurteilen. Auch auf deren Beziehungen dürfte diese Massnahme tendenziell positive Auswirkungen haben. Denn zu Eltern anderer Kinder, die dieselbe ausserfamiliale Lebenswelt beleben, dürften sich Kontakte ergeben. Ausserdem erhalten Eltern durch diese Entlastungen Gelegenheit, Isolierungen, welche mit dem Rund-um-die-Uhr-verpflichtet-Sein verbunden sind, zu verlassen. Auch auf die Qualität der Beziehung der Hausfrau-Mutter bzw. des Hausmann-Vaters zum Kind dürfte sich diese Massnahme deutlich positiv auswirken.
  • Diese Massnahme schafft für Hausfrauen und Hausmänner Freiräume für eigene Entwicklungen und vermindert die Persönlichkeitsrisiken von überintensivierten Beziehungen und von Überbelastungen (siehe oben unter 3.4.2 ab Seite 104).
  • Abgesehen von der mit dieser Massnahme verbundenen Aufwertung der Haus- und Familienarbeit sind hier wenig Einflüsse auf den Arbeitsbegriff und auf Wertungen in diesem Bereich zu erwarten.
  • Diese Massnahme diskriminiert keine Familienform, vielmehr können alle gleichermassen davon profitieren. Diese Massnahme führt zur Realisierung einer weiteren Ressource, die für die Bildung selbstbestimmter Familienformen zur Verfügung steht.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern (siehe unter 5.5 ab Seite 422) sind hier wesentlich, da der Eindruck, familienexterne Kinderbetreuung löse die Probleme, welche die Ungleichverteilung schafft, natürlich täuscht. Geboten ist hier insbesondere die Massnahme «von der Femalie zur Manilie» (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455).
    Wesentlich ist die Förderung der Mitbestimmung der Kinder (siehe unter 5.10 ab Seite 502) in den ausserfamilialen Lebenswelten für Kinder. Ausserfamiliale Lebenswelten sollen primär Kinderbedürfnisse realisieren und damit zugleich Elternbedürfnisse, und nicht Elternbedürfnisse gegen Kinderbedürfnisse.





    Massnahme 35: Förderung von Anstellungen im privaten Haushalt
    Die Anstellung von Personen in privaten Haushaltungen wird institutionell vereinfacht, teilweise durch Agenturen ersetzt, durch entsprechende Vermittlungsstellen unterstützt und die Löhne von Angestellten in privaten Haushaltungen werden von der Doppelbesteuerung befreit.


    Bewertung der Massnahme 35
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    0 0 ++ 0 + ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme wirkt sich nicht oder kaum auf die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern aus.
  • Diese Massnahme wirkt sich nicht oder kaum eindeutig in einem bestimmten Sinn auf die Verhältnisse zwischen Erwachsenen und Kindern aus. Je nach Ausführung können sich Vor- oder Nachteile für Kinder ergeben.
  • Diese Massnahme wandelt unbezahlte Haus- und Familienarbeit in bezahlte, damit auch im Bruttosozialprodukt erscheinende Arbeit um.
  • Diese Massnahme wirkt sich nicht oder kaum eindeutig in einem bestimmten Sinn auf die Beziehungen zwischen Erwachsenen sowie zwischen Erwachsenen und Kindern aus.
  • Diese Massnahme wirkt sich kaum eindeutig in einem bestimmten Sinn auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Am ehesten steht einem Verlust der Hausfrauen und Hausmänner an Kontakt mit einigen ebenfalls qualifizierenden Elementen der Haus- und Familienarbeit ein deutlicher Zugewinn an Freiräumen für Persönlichkeitsentwicklung gegenüber.
  • Gerade die mit dieser Massnahme sich ergebende Vermischung von bezahlter und unbezahlter Arbeit dürfte deutlich zur Infragestellung des enggeführten Begriffes von Arbeit und zu tiefergehenden Umdefinitionen führen.
  • Diese Massnahme bietet für die Realisierung unterschiedlicher Familienformen eine Erweiterung der Möglichkeiten.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Kombinationen mit Umverteilungsmassnahmen (siehe unter 5.5 ab Seite 422) sind hier wesentlich.
    Wichtig ist auch die «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.6.1 ab Seite 462), da ein aktiver Umgang mit diesem Teil der Haus- und Familienarbeit gerade bei Anstellung von Personen wesentlich ist.





    Massnahme 36: Gezielte Technisierung von Haushalten
    Die Technisierung der Haushaltungen wird so vorangebracht, dass a) die personen- bzw. beziehungsbezogene Komponente der Haus- und Familienarbeit nicht gefährdet wird, dass b) reale Zeitgewinne ausgewiesen werden, dass c) die Ungleichverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern zumindest nicht verstärkt wird und dass d) ökologische Gesichtspunkte miteinbezogen bleiben.


    Bewertung der Massnahme 36
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + 0 + 0 0 0 (+) 0 0


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Ersatz von Haus- und Familienarbeit durch Anschaffung von Geräten bedeutet an sich eine Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern. Denn die finanziellen Kosten für diese Geräte werden jedenfalls nicht so einseitig von Frauen getragen, wie sonst die durch diese Geräte ersetzte Haus- und Familienarbeit einseitig von ihnen übenommen worden wäre.
  • Hier ist diese Massnahme ohne Einflüsse. Technisierung dürfte die Möglichkeit des Einbezugs von kleinen Kindern in die Haus- und Familienarbeit vermindern, dafür die Haus- und Familienarbeit für grössere Kinder attraktiver machen.
  • Haus- und Familienarbeit wird mit dieser Massnahme nicht wesentlich besser als Leistung anerkannt als bisher, denn sie soll ja möglichst rationalisiert werden, tendenziell verschwinden. Allerdings ist damit auch kaum eine stärkere Abwertung als bisher verbunden, denn immerhin wird hier Haus- und Familienarbeit als Arbeit gesehen. Tendenziell werden durch die Analogien zwischen Rationalisierung der Haus- und Familienarbeit und Rationalisierung in der Erwerbsarbeit Parallelen dieser Arbeiten mehr betont.
  • Negative Auswirkungen wurden mit dem Kriterium a) ausgeschlossen. Positive sind allerdings auch nicht zu erwarten.
  • Auch hier sind kaum Auswirkungen zu erwarten.
  • Technisierung kann von repetitiven, allenfalls daher belastenden, Arbeiten entlasten, vermindert aber auch den Naturkontakt.
  • Auch hier sind kaum Auswirkungen zu erwarten.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Kombinationen mit Umverteilungsmassnahmen (siehe unter 5.5 ab Seite 422) sind hier wesentlich.
    Wichtig ist auch die «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.6.1 ab Seite 462), denn Technisierung der Haus- und Familienarbeit bedeutet für Hausfrauen und Hausmänner eine Konzentration (!) der immateriellen Haus- und Familienarbeit in ihren Händen.





    Massnahme 37: Verstärkte Professionalisierung der immateriellen Haus-
    und Familienarbeit
    Durch entsprechende Beratungs- und Bildungsangebote sowie Publikationen wird die Professionalisierung der Haus- und Familienarbeit verstärkt. Professionalisierung meint hier besonders Steigerung von Bewusstheit und aktiver Strukturierung dieser Arbeit und eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Art und Weise, diese Arbeit zu leisten, auch auf dem Hintergrund einschlägiger, namentlich psychologischer, Fachinformationen.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht den Bewertungen der verschiedenen Massnahmen, die unter dem Modell 5: Qualifizierung (oben ab Seite 452) angebracht wurden, oder übertrifft jene Bewertungen je nach Ausgestaltung und Gewichtung der verschiedenen möglichen Themen, die im Rahmen von Professionalisierungen bearbeitet werden. Die Massnahme erreicht so deutlich eine Gesamtbewertung von «++».


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier sind Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern wesentlich (siehe unter 5.5 ab Seite 422). Wesentlich ist auch eine Anerkennung dieser Professionalisierung durch einen Qualifikationstransfer in die Erwerbswelt (siehe unter 5.11.6 ab Seite 520). Hinsichtlich der Synergien interessant wäre die Kombination mit Technisierung von Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.8.3 ab Seite 488).





    Modell 8: Pluralität der Familien- und Wohnformen
    Unterschiedliche Familienformen erhalten gleiche Anerkennung. «Familie» wird dabei verstanden als eine durch Eltern-Kind-Betreuungs-Verhältnisse konstituierte Gruppe von Personen. Die Pluralität der Familien- und Wohnformen vergrössert sich: Bisher seltenere Formen werden häufiger und immer wieder werden neue Formen entwickelt.


    Kurzbewertung
    Dieses Modell realisiert in erster Linie Zielsetzungen der Leitlinie LF. Die Vergrösserung der Wahlmöglichkeiten dürfte auch eine Annäherung an die Zielsetzungen aller anderen Leitlinien zur Folge haben.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Sinnvoll ist insbesondere eine Kombination mit der Einführung eines Grundeinkommens (siehe unter 5.12.2 ab Seite 533) zur Verminderung der nicht zu unterschätzenden finanziellen Risiken eigenständig gestalteter Familienformen sowie eine Kombination mit verschiedenen Massnahmen, welche Zugang und Kompetenzen der Männer zur Haus- und Familienarbeit stärken (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452).





    Modell 8a: Nicht eheliche Lebensgemeinschaft
    Paarbeziehung wird vermehrt als nicht eheliche Lebensgemeinschaft konzipiert.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung dieses Modelles entspricht weitgehend derjenigen der Zwei-Eltern-Familie mit egalitärer Arbeitsteilung (siehe oben Seite 424 das Modell 4a). Denn in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist im Durchschnitt die Haus- und Familienarbeit etwas weniger ungleich verteilt. Partnerin und Partner bewahren in verschiedenen Punkten mehr Selbständigkeit. Die Paarbeziehung dürfte weniger komplementär-symbiotisch bestimmt sein.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hinsichtlich der Kombinationen ist hier zunächst dasselbe zu sagen wie oben beim Modell 4a. Eine konkrete Massnahme zur Förderung dieses Modells 8a ist die Massnahme «zivilstandsunabhängige Möglichkeiten von Sorgerechtsregelungen» (siehe unter 5.5.2.1 ab Seite 432).





    Modell 8b: Die Ein-Eltern-Familie
    Elternschaft wird vermehrt in Ein-Eltern-Familien übernommen.


    Kurzbewertung
    Die Ein-Eltern-Familie als Familienform hat mit verschiedenen äusseren Benachteiligungen zu kämpfen: Der Mangel an Angeboten familienexterner Kinderbetreuung wirkt sich hier besonders stark aus, Ein-Eltern-Familien sind stark überdurchschnittlich von Armut betroffen, weiterhin sind sie mit einer zwar massiv geringer gewordenen, aber latent stets vorhandenen Stigmatisierung behaftet. Die Informationen über diese Familienform sind widersprüchlich. Möglicherweise finden hier Wandlungen in einem grösseren Tempo statt, als die momentanen Forschungstätigkeiten mitvollziehen können. Verschiedene Indizien weisen diese Familienform als eine sehr interessante und taugliche aus, obwohl die Entfaltung ihrer Vorteile durch verschiedene strukturelle Gegebenheiten noch behindert wird. Aus der Perspektive einer HausArbeitsEthik ist besonders die Beobachtung interessant, dass in Ein-Eltern-Familien der Zeitaufwand der Frauen für Haus- und Familienarbeit geringer ist als in Zwei-Eltern-Familie: Männer sind offenbar mehr Arbeitsaufgabe als Arbeitshilfe. Für Kinder scheint diese Familienform negative und positive Seiten zu haben. Die Kinderinteressen scheinen einerseits insbesondere durch die Belastungen rund um die Scheidung (durch die die meisten Ein-Eltern-Familien entstehen, denn ledige und verwitwete Mütter sind selten) beeinträchtigt. Andererseits scheinen in Ein-Eltern-Familien kooperative Erziehungsstile besonders verbreitet (siehe oben unter 3.9 ab Seite 136). Stereotype Geschlechterrollen werden in Ein-Eltern-Familien einerseits verstärkt in dem Sinn, als es immer noch sehr wenig «Väter-Familien» (Ein-Eltern-Familien mit alleinerziehenden Vätern) gibt. Andererseits kann erwogen werden, ob die Betreuungsbeteiligung von Besuchsvätern mit zwei mal 48 Stunden pro Monat nicht ähnlich hoch (oder höher) sei als die durchschnittliche Betreuungsbeteiligung von Vätern in Zwei-Eltern-Familien. Aufgelockert werden die Geschlechterstereotypen dadurch, dass alleinerziehende Mütter häufig erwerbstätig sind. All diese Erwägungen sind aber zurzeit schwerlich zu einem Gesamtbild und einer Gesamtbeurteilung der Ein-Eltern-Familie zusammenzufügen, da die Informationen wie gesagt teilweise widersprüchlich sind.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Die Ein-Eltern-Familie wird von der Nicht-Anerkennung der Haus- und Familienarbeit besonders stark und empfindlich betroffen, was sich im Speziellen in der doppelt so hohen Verbreitung von Armut in diesen Familien auswirkt. Dementsprechend hängt die sinnvolle Realisierung dieses Modelles insbesondere mit Massnahmen zur Aufwertung der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.2 ab Seite 371), im Speziellen der Aufwertung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit zusammen. Konkret von Bedeutung ist der entsprechende Transfer zugunsten von Familien (siehe unter 5.2.4 ab Seite 381).
    Wichtig sind hier ausserdem Forschungsanstrengungen zu Ein-Eltern-Familien, wie sie im Rahmen von «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542) realisierbar sind, wichtig sind auch die Arbeitsplatzbedingungen (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452), die politische Mitsprache (siehe unter 5.5.3.3 ab Seite 445) und die Vereinbarkeit (siehe unter 5.9 ab Seite 493).
    Wichtig ist auch eine spezifische Förderung alleinerziehender Väter, welche nach wie vor eine kleine Minderheit darstellen. Eine solche Förderung ist im Rahmen der Massnahme «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) gut denkbar.





    Modell 8c: Assoziative Wohnformen
    Arbeitseinheit der Haus- und Familienarbeit ist nicht die Kernfamilie, der Paar- oder der Single-Haushalt, sondern die Wohn- oder Hausgemeinschaft.


    Bewertung des Modelles 8c
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + ++ ++ + ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Wenn, dann eignen sich Männer Haus- und Familienarbeitkompetenzen oft in Wohngemeinschaften in einer ihnen gemässen Art an (vgl. z.B. Gmelin 1979; Bürgisser 1996). Assoziative Wohnformen als Lebensformen, in welchen die Verteilung der Haus- und Familienarbeit naturgemäss diskutiert wird, tragen zu einer Gleichverteilung dieser Arbeit und damit zur Gleichstellung der Geschlechter bei.
  • In solchen Lebensformen ist es wahrscheinlicher, dass auch Kinder in den Diskurs über Rechte und Pflichten im Zusammenleben einbezogen werden, obwohl sie ohne weitere, sie stärkende Massnahmen weiterhin mit dem Machtvorteil der Erwachsenen zu leben haben werden.
  • Die offenere und bewusstere Verteilung der Haus- und Familienarbeit in Wohngemeinschaften (etwas weniger in Hausgemeinschaften) verstärkt die Sichtbarkeit und die Wahrnehmung der Bedeutung der Haus- und Familienarbeit.
  • Diese Wohnformen vermindern die Isolation der (Teilzeit-) Hausfrauen und Hausmänner, bieten allgemein mehr Gelegenheit für Kontakte und dürften auch die Qualität der Beziehungen eher verbessern, da weniger fixierte Rollen vorgegeben sind als in herkömmlichen Familien.
  • Wohn- und Hausgemeinschaft stärkt die Selbständigkeit der Persönlichkeitsentwicklung durch die besondere Art der Herausforderung. Möglicherweise besteht ein gewisses Risiko der Überforderung, da sehr viel aktive Selbstbestimmung gefordert ist bei Strafe des Verlustes der Realisierung basaler Bedürfnisse. Möglicherweise stellt ein allenfalls etwas verminderter Raum strenger Privatheit einen teilweisen Nachteil für die Persönlichkeitsentwicklung dar.
  • Diese Lebensformen erlauben wesentlich mehr Kombinationen unterschiedlicher Arbeiten. Sie können namentlich die Kombination von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit entscheidend vereinfachen. Sie vermitteln damit und ausserdem wegen der genannten grösseren Sichtbarkeit der Haus- und Familienarbeit einen integralen Begriff von Arbeit.
  • Die Unterscheidung zwischen traditioneller Familie, Elternschaft und sozialem Nahraum wird in solchen Wohnformen deutlich. Unterschiedliche Familienformen können eine sachgerechte Bewertung erfahren, da eine gewisse Teilnahme an ihnen (in assoziativen Wohnformen mit unterschiedlichen Familienformen, Paaren und/oder Singles) Vorurteile korrigiert.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Hier ist eine gleichzeitige Förderung der Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern (siehe unter 5.5 ab Seite 422) sowie eine Stärkung innerer (selbständige Identitätsbildungen, siehe unter 5.2.3 ab Seite 379) und äusserer (Garantiertes Mindesteinkommen, siehe unter 5.12.2 ab Seite 533) Sicherheiten wichtig. Wünschbar wäre Supervision (siehe unter 5.6.2 ab Seite 463).





    Modell 8d: Wohnen mit zentralisierter Haus- und Familienarbeit
    Haus- und Familienarbeit wird für eine Einheit bestehend aus einer grösseren Anzahl von Bewohnerinnen und Bewohnern zentralisiert. Der Arbeitsaufwand in den einzelnen Wohnungen wird vermindert, z.B. durch eine Versorgung aus einer zentralen, professionell geführten Küche.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modelles 8c. Die verschiedenen positiven Wirkungen im Bereich aller sieben Leitlinien dürften in etwa dieselben sein. Ein Nachteil im Vergleich zum Modell 8c ist, dass die zentralisierte Haus- und Familienarbeit versteckter ist. Dafür düfte der im Modell 8c unter Umständen bestehende Nachteil eines zu kleinen Raumes strenger Privatheit hier weniger bestehen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Nur ein Teil der Haus- und Familienarbeit ist sinnvoll zentralisierbar. Insbesondere die immaterielle Haus- und Familienarbeit entzieht sich grossenteils einer Zentralisierung. Kombinationen mit Massnahmen, welche einen bewussten Umgang mit den nicht oder nur bedingt zentralisierbaren Elementen der Haus- und Familienarbeit in die Zentralisierungskonzeptionen unterstützen, sind wesentlich. Ausserdem sind Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern wichtig, damit die Entlastung der Frauen nicht zur Legitimierung der Minderbeteiligung der Männer verkommt. Zu beidem tragen «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452) sowie «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.6.1 ab Seite 462) bei.





    Modell 9: Rechte für Kinder
    Erstens durch eine angemessene Realisierung von Mitbestimmungsrechten der Kinder (in Schule, Politik usw.) selber und zweitens durch eine anwaltschaftliche Vertretung der Interessen von Kindern durch entsprechende erwachsene Personen («besonderer Schutz der Kinder») werden Rechte für Kinder realisiert, wie sie sich aus den Prinzipien der Leitlinie LK ergeben.


    Bewertung des Modelles 9
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + ++ + ++ ++ 0 ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Die Förderung der Gleichstellung der Kinder ist direkt keine Geschlechtergleichstellungsmassnahme. Es ist jedoch zu erwägen, ob nicht als Kind erlittene Diskriminierungen wesentlich zur Übernahme untergeordneter Rollen durch Frauen auch im Erwachsenenalter beitragen und ob umgekehrt als Kind erlittene Diskriminierungen (anderer Art!) eine der Ursachen des «Diskriminierungsbedarfes» erwachsener Männer darstellen (vgl. die einschlägigen Untersuchungen zur geschlechtsspezifischen Sozialisation). Umgekehrt ausgedrückt: Wenn Kinder als Kinder nicht diskriminiert werden, son


  • sozialen Umgang bei stimmiger Verteilung von Grundrechten sowie politischen Pflichten, Verantwortungen und Rechten erleben, wird ihnen die Wahrung der Rechte der eigenen Person und die Achtung der Rechte der anderen Person auch im Geschlechterverhältnis selbstverständlicher erscheinen.
  • Diese Massnahme ist eine direkte und wirksame Förderung der ethischen Kinderrechte.
  • Diese Massnahme trägt indirekt zur Verbesserung der Arbeitssituation der Hausfrauen und der Hausmänner bei, da sie zunehmend weniger strukturelle Kinderfeindlicheit (siehe oben unter 3.11.2 ab Seite 153) im Rahmen ihrer Arbeit kompensieren müssen. Diese Massnahme verbessert ausserdem die Wahrnehmung der Bedürfnisse der heranwachsenden Generation durch die Allgemeinheit und macht so die allgemeine Verantwortung für die heranwachsende Generation bewusster und schafft damit eine grössere Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsarbeit.
  • Diese Massnahme trägt direkt, frühzeitig und wirksam zur Bildung sozialer Beziehungen guter Qualität bei. Sie dürfte auch und gerade für die Beziehungen zwischen Eltern und Kinder sehr förderlich sein, auch wenn zumindest in einer ersten Phase auch einige neue Konflikte zu erwarten sind.
  • Diese Massnahme fördert die Selbstachtung und damit die angemessene Selbständigkeit direkt, frühzeitig und wirksam. Sie fördert auch die Persönlichkeitsentwicklung von Hausfrauen und Hausmännern durch die Herausforderung, welche die Respektierung von Kindern als Menschen darstellt. Wesentlich ist, durch langsame Veränderungen oder auch durch Massnahmen zur Unterstützung der Eltern zu verhindern, dass diese Herausforderung zur Überforderung wird.
  • Diese Massnahme dürfte sich auf die Gesamtheit des Arbeitens – vor allem in Kombination mit anderen Massnahmen – mittel- und längerfristig auch positiv auswirken. Da diese Wirkzusammenhänge jedoch komplex und damit schwer abschätzbar sind, werden sie in der Bewertung nicht berücksichtigt.
  • Wegen der Beziehungsförderlichkeit dieser Massnahme und ihrer positiven Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung (siehe oben) ist mittel- und längerfristig eine positive Entwicklung des Familienkonzeptes zu erwarten, namentlich auch hinsichtlich der Geschlechteremanzipation (siehe oben). Ausserdem ist kurzfristig eine positive Auswirkung hinsichtlich der Eltern-Kind-Beziehung zu erwarten, da sich insgesamt eine Verbesserung der Achtung vor den Kindern, ihren Bedürfnissen und ihren Rechten verbreiten dürfte. Diese Veränderungen stehen aber eher am Rande der Leitlinie LF. Eher in ihr Zentrum dürfte reichen, dass die Realisierung dieses Modelles deutlicher zutage fördern dürfte, welche Familienformen der Tendenz nach Kinderrechte eher respektieren. Dies hat eine sachgerechtere Beurteilung unterschiedlicher Familienformen zur Folge.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist ein Kombination mit «Supervision» (siehe unter 5.6.2 ab Seite 463) für Eltern, damit die notwendigen Anpassungen und Entwicklungen in den Familien sinnvoll möglich sind, sowie mit entsprechenden Bildungs- und Informationsmassnahmen rund um die Thematik der Kinderrechte, wie sie etwa im Rahmen der Massnahmen «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538), «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule» (siehe unter 5.13.1.2 ab Seite 540) und «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542) denkbar sind.
    Sinnvolle Synergien ergeben sich aus Kombinationen mit den Massnahmen «Ehrenfest-Plan» (siehe unter 5.3.5 ab Seite 401) und/oder «Einführung eines Grundeinkommens» (siehe unter 5.12.2 ab Seite 533), da beide den Kindern eine materielle Unabhängigkeit bringen, welche zur Massnahme der Kinderrechte passt. Sinnvoll kann auch eine Kombination mit der Massnahme «von der Femalie zur Manilie» (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455) sein, da die damit angestossene Diskussion über Haus- und Familienarbeitsstile bzw. Familienstile den Gestaltungsfreiraum auch für Kinder erhöht.





    Modell 10: Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit
    Mit verschiedenen Massnahmen werden die strukturellen Bedingungen so verändert, dass für Frauen und Männer Erziehungs- und Betreuungsarbeit mit Erwerbsarbeit vereinbar ist.


    Bewertung der Massnahme 37
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + 0 (+) ++ 0 + ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Dieses Modell stellt nicht eigentlich eine Gleichstellung der Geschlechtergruppen her, sondern vermindert die Benachteiligung von Hausfrauen und Hausmännern mit Kindererziehungs- und -betreuungsaufgaben gegenüber Berufsfrauen und Berufsmännern ohne solche Aufgaben. In dem Sinne jedoch, dass damit ein «weiblicher» Bereich aufgewertet wird – und natürlich in dem Sinn, dass gegenwärtig von besserer Vereinbarkeit vor allem Frauen profitieren – trägt dieses Modell zur Gleichstellung der Geschlechtergruppen bei. Wenn – aber wirklich nur wenn – dabei gleichzeitig darauf geachtet wird, dass die Attraktivität einer Doppelbelastung auch für Männer wirksam erhöht wird, dann trägt diese Massnahme sogar stark zur Geschlechtergleichstellung bei.
  • Dieses Modell verändert die Position der Kinder zunächst nicht. Allerdings fordert es eine Rücksicht der Erwerbswelt auf die Bedürfnisse von Kindern. Damit trägt es zur Sichtbarkeit dieser Bedürfnisse bei. Ob diese Bedürfnisse darüber hinaus letztlich besser verwirklicht werden als im Modell der Unvereinbarkeit, ist zwar wahrscheinlich, hängt jedoch stark von der Ausgestaltung der einzelnen Massnahmen ab.
  • Dieses Modell besagt, dass nicht nur wie bisher einseitig Hausfrauen und Hausmänner sich mit ihrer Arbeit auf die Erwerbswelt mit ihren Zeitrhythmen und sonstigen Anforderungen auszurichten haben, sondern dass die Erwerbswelt umgekehrt nun sich auf die Erziehungs- und Betreuungsarbeit der Hausfrauen und Hausmänner einzustellen und deren Zeitrhythmen und sonstige Notwendigkeiten zu respektieren habe. Dies bedeutet eine grundlegende Klärung des Verhältnisses zwischen der Haus- und Familienarbeit einerseits und der Erwerbsarbeit andererseits.
  • Die Abgeschiedenheit der Haus- und Familienarbeit von der Erwerbswelt ist ein wesentlicher Faktor der Isolation der Hausfrauen und Hausmänner. Dieser Trennung wird mit diesem Modell deutlich entgegengewirkt. Schliesslich verbessert die Vereinbarkeit auch die Realisierbarkeit des Modelles 4a der egalitären Arbeitsteilung in Zwei-Eltern-Familien, wo ebenfalls eine Verbesserung hinsichtlich der Beziehungsqualitäten zu verzeichnen war.
  • Wer Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit kombiniert, kombiniert zwei Identitäten. Diese «Diversifizierung» der Identität bedeutet eine recht grundlegende Verbesserung einer Persönlichkeitsstruktur. Becker (1995, 230, vgl. oben Seite 300) stellt die geschlechtsspezifischen Einseitigkeiten der Persönlichkeitsentwicklung dar und empfiehlt eine ausgleichende Entwicklung. Identitäts- und Persönlichkeitsvorteile durch die Kombination von Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit wird bei Höpflinger (1991, 44) und anderen (z.B. Brüderl 1992, 19) angemerkt und begründet.
  • Vereinbarkeit schafft eine engere Verbindung von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit: In der Erwerbswelt wird die Haus- und Familienarbeit Thema und in der Haus- und Familienarbeit die Erwerbsarbeit – und zwar nicht die Erwerbsarbeit des Partners, sondern die Erwerbsarbeit der Hausfrau (bzw. des Hausmannes). Dies dürfte zu einem wesentlich integraleren Begriff menschlicher Arbeit beitragen.
  • Dieses Modell hat auf Familienbegriff und -wertungen keinen direkten Einfluss. Allerdings verbes


  • dieses Modell namentlich die Situation der Ein-Eltern-Familien, deren wohl wesentlichste Schwierigkeit die höhere Armut wegen der Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten ist. (Die Belastungsfolgen für Kinder in Ein-Eltern-Familien hängen stärker mit der Einkommenssituation als mit der Familienzusammensetzung zusammen; vgl. Perrez 1996, 126, wie oben Seite 139 bereits ausgeführt. Vgl. auch oben Tabelle 3: Kinderzahl und Armut, Seite 120 und zugehörigen Text.) Die Realisierung von Vereinbarkeit könnte so sehr zur Entlastung von Ein-Eltern-Familien beitragen, dass diese indirekte Wirkung durchaus mit einem «+» bezüglich Familienbegriff und -wertungen zu verzeichnen ist.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist eine Kombination mit «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), damit deutlich wird, dass die Herstellung von Vereinbarkeit keine Grosszügigkeit gegenüber Eltern darstellt, sondern eine bescheidene Anerkennung ihrer Leistung bedeutet. In diesem Sinn ist auch die Kombination mit «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538) wünschenswert.
    Leider wird die Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit bisher weit überwiegend als Frauenthema behandelt – einer der gravierendensten Fehler. Daher ist die Kombination mit wirksamen Massnahmen zur Umverteilung der Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.5 ab Seite 422) unter den Geschlechtern unverzichtbar.





    Massnahme 38: Vermehrung des Teilzeitstellenangebots
    Das Angebot an Teilzeitstellen wird vermehrt durch entsprechende Förderung, namentlich durch
    – finanzielle Anreize bei Aufteilung von bestehenden Anstellungen auf mehr Personen (die Zahlungen sollen mindestens die ungefähren Umstellungskosten decken),
    – finanzielle Anreize bei Schaffung neuer Teilzeitstellen,
    – die Finanzierung von Untersuchungen über sinnvolle Methoden der Einführung und Organisation von Teilzeitstellen und Finanzierung der Publikation entsprechender Handbücher,
    – Förderung von entsprechender Unternehmensberatung und
    – breites Bekanntmachen bestehender Teilzeitlösungen.


    Bewertung der Massnahme 38
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + 0 (+) + ++ ++ ++ ++ +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes macht die Erwerbswelt zugänglicher für Frauen – und die Haus- und Familienarbeit zugänglicher für Männer. Einschränkend ist festzustellen, dass Teilzeitstellen weit mehr von Frauen angenommen werden (54% der erwerbstätigen Frauen) als von Männern (9% der erwerbstätigen Männer, Zahlen für die Schweiz für 1993 nach Straumann, Hirt und Müller 1996, 28). Teilzeiterwerbsarbeit macht die Erwerbswelt zugänglicher für Frauen – aber bleibt die Gleichstellung so auf halbem Weg stehen, wenn die Frauen bloss bis zu den Teilzeitstellen vorstossen. Dem kann, verwandt mit dem oben zitierten Fazit von Straumann, Hirt und Müller (1996, 162–163), die Überlegung entgegengehalten werden, dass blosse Integration von Frauen in ein «männliches» System nicht Geschlechtergleichheit im Vollsinn des Wortes bedeuten kann (vgl. oben unter 4.4.2.4.2 ab Seite 261). Teilzeitarbeit bietet eine Lebensform ohne Entscheidung zwischen stereotyp männlicher und stereotyp weiblicher Biographiegestaltung – für Frauen und auch für Männer: 9% Teilzeit erwerbstätige Männer sind eine nicht zu vernachlässigende Anzahl, übrigens mit steigender Tendenz. Allerdings scheinen Männer viel häufiger als Frauen von anderen als familiären Motiven zu Teilzeiterwerbsarbeit bewegt zu werden.
  • Auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Mitspracherechte von Kindern hat diese Massnahme kaum Einfluss. Ein leichter, indirekter Einfluss besteht in dem Sinn, als die Umverteilung der Haus- und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern und damit die Herstellung einer vergleichbaren Beziehung der Kinder zu beiden Elternteilen im Interesse der Kinder liegt.
  • Wo Vereinbarkeit der Erwerbsarbeit mit Haus- und Familienarbeit bewusstes Argument der Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes ist, wird damit eine Anerkennung der Haus- und Familienarbeit als gesellschaftlich bedeutsame Leistung zum Ausdruck gebracht. Umgekehrt dürfte aber die Förderung des Teilzeitstellenangebots selber wenn überhaupt, dann sehr indirekt zur Aufwertung der Haus- und Familienarbeit beitragen.
  • Die Vermehrung von Teilzeitstellen wirkt sich mehrfach positiv auf das Beziehungsfeld von Hausfrauen und Hausmännern aus: Erstens durch die Erhöhung der Vereinbarkeit der Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit, welche Hausfrauen und Hausmännern Zugang zu den sozialen Kontakten der Erwerbsarbeit verschafft. Zweitens trägt die überdurchschnittlich gute Arbeitsmotivation, welche Teilzeiterwerbstätige nach übereinstimmenden Ergebnissen von Befragungen und Untersuchungen mitbringen (siehe oben unter 5.11.1 ab Seite 508), zu einem guten Arbeitsklima und guten Beziehungen am Erwerbsarbeitsplatz bei. Drittens vermindern sich die Verständigungsprobleme zwischen Hausfrauen und Hausmännern einerseits und Erwerbstätigen andererseits: Die Lebenswelten sind weniger getrennt.
  • Teilzeiterwerbsarbeit erlaubt Berufsfrauen und Berufsmännern Identitätsentwicklungen, welche nicht von der Erwerbsarbeit dominiert sind, und bietet umgekehrt Hausfrauen und Hausmännern die Möglichkeit, Identität nicht alleine aus der Haus- und Familienarbeit zu beziehen. Geschlechtsspezifische Einseitigkeiten der Persönlichkeitsentwicklung bespricht Becker (1995, 230, vgl. oben Seite 300). Er empfiehlt eine ausgleichende Entwicklung. Identitäts- und Persönlichkeitsvorteile durch die Kombination von Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit wird bei Höpflinger (1991, 44) und anderen (z.B. Brüderl 1992, 19) angemerkt und begründet.
  • Diese Massnahme wirkt sich auf den Arbeitsbegriff und auf die Wertungen im Bereich der Arbeit besonders gut aus. Die Verbesserung der Vereinbarkeit verstärkt die Wahrnehmung der Haus- und Familienarbeit als Arbeit. Als eine der ganz wenigen gewinnt diese Massnahme auch einen Horizont für die Nicht-Arbeit und deren Bedeutung (vgl. oben unter 4.4.10.4.1 ab Seite 316). Sie trägt entscheidend bei zur Verbesserung der kritischen Distanz zur Arbeit (0 oben Seite 329) – zunächst zur Erwerbsarbeit, im Falle einer Kombination von Haus- und Familienarbeit mit Teilzeiterwerbsarbeit auch zur kritischen Distanz zur Haus- und Familienarbeit im Vergleich zur Situation von ausschliesslich mit Haus- und Familienarbeit befassten Hausfrauen und Hausmännern. Eine Verbreitung von Teilzeiterwerbsarbeit korrigiert damit grundlegend die Dominanz des asketisch-protestantischen Berufsethos» (vgl. oben unter 4.4.10.2.1 ab Seite 310) und trägt zu einem integralen Arbeitsbegriff bei.
  • Eine Vermehrung und speziell auch die zumindest teilweise damit verbundene Diversifizierung des Teilzeitstellenangebotes schafft wesentlich bessere Voraussetzungen für die Realisierung unterschiedlicher Familienformen. Die besseren Voraussetzungen für Erwerbseinkommen Alleinerziehender vermindert die wohl wichtigste Ursache ihrer Diskriminierung: die häufigere Armut in dieser Familienform.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wiederum sind Kombinationen mit Umverteilungsmassnahmen wesentlich. Besonders geeignet sind hier «Quotierung von Haus- und Familienarbeit Leistenden in politischen Gremien» (siehe unter 5.5.3.3 ab Seite 445), und «Frauenförderung im Erwerbsbereich» (siehe unter 5.5.3.4 ab Seite 447), der «Arbeitsmixbonus für Personen, welche Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit kombinieren» (siehe unter 5.5.3.5 ab Seite 449) und «Forschung, Beratung, Bildung: ein Know-how-Zentrum für Teilzeit- und Vollzeithausmänner» (siehe unter 5.5.3.7 ab Seite 452). Der «Betreuungsbonus» hat in der Kombination den zusätzlichen Vorteil, verbleibende finanzielle Nachteile von Teilzeitanstellungen zumindest teilweise kompensieren zu können. Wünschenswert ist eine Kombination mit rechtlichen Absicherungen von Teilzeitanstellungen (siehe unter 5.5.2.1 ab Seite 432).





    Massnahme 39: Rechtliche Absicherung von Teilzeitanstellungen und Beurlaubungsmöglichkeiten für Eltern
    Elternschaft stellt hohe Arbeits- und Präsenzanforderungen. Daher bieten sich für diese Lebensphase besonders Teilzeiterwerbsstellen an. Jedoch sind solche Anstellungen oft besonders unsichere Erwerbsarbeitsplätze. Daher werden gesicherte Möglichkeiten der Erwerbsarbeitszeitreduktion und der Erwerbsarbeitsunterbrechung für Eltern geschaffen.
    Eine einfache und zugleich flexible Lösung bietet die Festsetzung eines Rechtes auf ein bestimmtes Kontingent an Arbeitszeitreduktion. Dieses Kontingent kann unterschiedlich hoch angesetzt werden. Nehmen wir an, es umfasse 2 Jahre, so bedeutet das, dass eine Mutter oder ein Vater das Recht hat, sich für 2 Jahre beurlauben zu lassen und danach denselben oder einen gleichwertigen Erwerbsarbeitplatz wieder besetzen zu können, oder aber 4 Jahre lang 50% an seinem angestammten Erwerbsarbeitsplatz arbeiten kann und dann das Recht hat, wieder auf das angestammte Arbeitspensum aufzustocken. Auch Zwischenvarianten und Kombinationen von unterschiedlichen Phasen kommen in Frage.
    Eine reduzierte, aber doch nicht zu unterschätzende Variante der gesicherten Teilzeiterwerbsarbeit für Eltern wäre die Festsetzung eines Rechtes auf Erwerbsarbeitszeitreduktion für Mütter und Väter verbunden mit einem Kündigungsschutz.
    Bewertung der Massnahme 39
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + 0 (+) 0 ++ ++ ++ ++ +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme wirkt nicht direkt auf eine Emanzipation von den Geschlechterrollen. Sie schafft aber Voraussetzungen, welche die Grenzen zwischen vermeintlich «männlichen» Bereichen (Erwerbsarbeit) und vermeintlich «weiblichen» Bereichen (Familie, unbezahltes Engagement) begehbar machen.
  • Diese Massnahme trägt nichts zur Realisierung ethischer Kinderrechte bei, ausser sehr indirekt durch eine gewisse Aufwertung der Haus- und Familienarbeit und damit der Lebenswelt von Kindern. Diese Massnahme dürfte im Durchschnitt auch die finanzielle Lage von Kindern tendenziell verbessern.
  • Die Erwerbswelt wenigstens ein Stück weit den Gegebenheiten der Haus- und Familienarbeit anzupassen heisst, die gesellschaftliche Bedeutung der Haus- und Familienarbeit anerkennen. Die Anerkennung bleibt allerdings bescheiden.
  • Diese Massnahme fördert das Verständnis von Arbeit als einer gesellschaftlich-kooperativen Tätigkeit, indem Erwerbsarbeitsplätze beispielsweise «stafettenförmig» statt konkurrenzorientiert besetzt werden. Im Übrigen entsprechen die positiven Auswirkungen den bei der Bewertung des Modells 10 angemerkten.
    Die für diese Massnahme notwendigen Anpassungen in Betrieben fordern höhere Beziehungskompetenzen in der Erwerbswelt, geben jedoch auch Gelegenheit zu deren Aneignung.
  • Die Dynamisierung des Wechsels zwischen verschiedenen Arbeitsfeldern – im Tages- bzw. Wochenverlauf wie im biographischen Verlauf – fördert Identitäten, die nicht monistisch auf Erwerbsarbeit oder umgekehrt auf Haus- und Familienarbeit abgestützt sind, sondern die eine relative Unabhängigkeit von der aktuellen Tätigkeitsform erhalten (vgl. Höpflinger/ Charles/Debrunner 1991, 244f mit weiteren Literaturangaben, zitiert oben Seite 299). Denn weil die Tätigkeitsformen stärker als wechselnd begriffen werden, muss die Identität verschiedene Tätigkeiten als Identitätsgrundlagen umfassen und/oder sich auf Dinge ausserhalb der Tätigkeiten abstützen. Solche Identitäten sind flexibler und stabiler zugleich.
  • Die starre Aufteilung des Feldes menschlichen Arbeitens in sogenannte eigentliche «Arbeit», womit nur gerade bezahlte Tätigkeit gemeint ist, einerseits und in Nicht-Arbeit andererseits wird aufgelöst. Das Feld menschlichen Arbeitens wird dahingehend verändert, dass Kombinationen und Wechsel verschiedenster Arbeiten individuell möglich werden und sich ein angemessenerer Arbeitsbegriff Geltung verschaffen kann.
  • Diese Massnahme schafft bessere Voraussetzungen für die Realisierung egalitärer Arbeitsteilungen und unterschiedlicher Familienformen. Diese Massnahme dürfte insbesondere die Armut Alleinerziehender als wichtigstes Element der Benachteiligung von Ein-Eltern-Familien (vgl. oben bei der Bewertung der letzten Massnahme) deutlich vermindern.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Es sind dieselben Kombinationen mit Umverteilungsmassnahmen wesentlich, wie oben bei der Massnahme der Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes. Nur ist hier umgekehrt eine Kombination mit Massnahmen zur Vermehrung des Teilzeitstellenangebotes wünschenswert (siehe unter 5.11.1 ab Seite 508) und darüber hinaus die Kombination mit einer eigentlichen Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit (siehe unter 5.2.4 ab Seite 381).





    Massnahme 40: Betriebliche Angebote der Kinderbetreuung
    Betriebe engagieren sich praktisch im Bereich familienexterner Kinderbetreuung, um ihrerseits einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Erziehungs- und Betreuungsarbeit mit Erwerbsarbeit zu leisten. Dieses Engagement kann in sehr verschiedener Art und Weise ausgeübt werden, namentlich mit betriebseigenen Kindertagesstätten, dann mit betrieblich mitgetragenen überbetrieblichen Kinderbetreuungsangeboten und schliesslich auch durch eine betrieblich getragene Vermittlungs- und Beratungsstelle für Eltern, die familienexterne Kinderbetreuungsmöglichkeiten suchen.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modells 10. Hier kommen die Betriebe besonders direkt in Kontakt mit der Leistung von Hausfrauen und Hausmännern. Betriebe, die sich hier engagieren wollen, müssen sich in die Situation von Eltern versetzen und ihrerseits nun gangbare Wege suchen im Dilemma der strukturellen Unvereinbarkeit der Erziehungs- und Betreuungsarbeit mit der Erwerbsarbeit. Das Einnehmen der Elternperspektive durch die Betriebe ist als Anerkennung der Leistung der Hausfrauen und Hausmänner (Leitlinie LL) zu verstehen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Bezüglich der Massnahmenkombinationen ist dasselbe zu sagen wie oben beim «Modell 10: Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbs-/Berufsarbeit» (siehe unter 5.11 ab Seite 505).





    Massnahme 41: Arbeitsfreistellung von Eltern bei Krankheit eines Kindes
    Familienexterne Kinderbetreuungseinrichtungen nehmen normalerweise kranke Kinder nicht auf. Daher wird die Betreuung ansonsten familienextern betreuter Kinder erwerbstätiger Eltern im Krankheitsfall der Kinder durch Freistellung der Eltern am Erwerbsarbeitsplatz sichergestellt.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Modells 10 der Vereinbarkeit. Etwas stärker sind in dieser Massnahme hier Bedürfnisse der Kinder (LK) berücksichtigt. Ausserdem schaffen gerade solche Regelungen für die spezifischen alltäglichen Herausforderungen der Erziehungs- und Betreuungsarbeit eine bessere Wahrnehmung der Leistung von Hausfrauen und Hausmännern seitens der Betriebe (LL) und einen integraleren Begriff von Arbeit (LA). Ein gewisser Nachteil der Regelung besteht darin, dass die Inanspruchnahme des Rechtes auf Arbeitsfreistellung zu Benachteiligungen in der Erwerbswelt führen kann. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden eventuell Personen, welche keine Kinderbetreuungspflichten haben, bevorzugt anstellen und befördern.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Bezüglich der Massnahmenkombinationen ist dasselbe zu sagen wie oben beim «Modell 10: Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbs-/Berufsarbeit» (siehe unter 5.11 ab Seite 505), wobei hier die Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) besonders wichtig ist. Sehr synergetisch verhält sich diese Massnahme mit den beiden Massnahmen familienexterner Kinderbetreuung «Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) und «betriebliche Angebote der Kinderbetreuung» (siehe unter 5.11.3 ab Seite 515).





    Massnahme 42: Berufskontakt in der «Familienphase»
    Während der Elternschaftsbeurlaubung wird die berufliche Qualifikation aufrechterhalten. Dies geschieht durch Beteiligung an den beruflichen Weiterbildungen im angestammten Beruf. Ausserdem wird der Kontakt zur Praxis soweit möglich und gewünscht durch Vertretungen beibehalten.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modells 10 der Vereinbarkeit. Besonders positiv an dieser Massnahme ist, dass sie als intellektuelle Herausforderung eine sehr gute Ergänzung ist zu den spezifischen Anforderungen der Haus- und Familienarbeit gerade in der Familienphase mit kleinen Kindern, wo oft schwergewichtig hohe emotionale, empathisch-interaktionelle und physische Anforderungen sowie hohe Präsenzforderungen und Ansprüche an eine rollende (da immer wieder an Störungen bzw. Veränderungen anzupassende) und oft komplexe, zugleich kurz- und langfristige Planung bestehen. Diese Massnahme aktiviert somit Leistungspotenziale von Hausfrauen und Hausmännern, deren Brachliegen auch eine subjektive Belastung darstellen kann.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist eine Elternschaftsbeurlaubung in genügender Länge, also beispielsweise eine Kombination mit «flexibler, bezahlter Elternschaftsbeurlaubung» (siehe unter 5.4.1 ab Seite 409) oder «Elternschaftsbeurlaubung für schweizerische Verhältnisse» (siehe unter 5.4.5.2 ab Seite 418). Unverzichtbar ist ausserdem eine Kombination mit Umverteilungsmassnahmen (siehe unter 5.5 ab Seite 422). Synergetisch verhält sich diese Massnahme mit der Pluralisierung von Familienformen (siehe unter 5.9 ab Seite 493).





    Massnahme 43: Qualifikationstransfer von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit
    Wer Haus- und Familienarbeit leistet, erwirbt dabei in grösserem Umfang und in beachtlicher Tiefe Qualifikationen. Diese werden aber in der Erwerbswelt bisher nicht – Ausnahmen bestätigen die Regel – anerkannt. Auch den Hausfrauen und Hausmännern selber sind diese Qualifikationen oft nicht in einer solchen Art bewusst, dass sie in die Erwerbswelt transferiert werden könnten. Dieser Transfer der Qualifikationen aus der Haus- und Familienarbeit in die Erwerbswelt wird realisiert durch
    – Publikation von Forschungsresultaten, welche über Art und Umfang der in der Haus- und Familienarbeit erworbenen Kompetenzen Auskunft geben.
    – Weiterbildungsgänge für Haus- und Familienarbeit, welche die Reflexion und gezielte Aneignung von Kompetenzen «on the job» (wobei der «job» hier die Haus- und Familienarbeit ist) unterstützen.
    – Anerkennung dieser Kompetenzen in der Erwerbswelt bei Anstellung, Lohnbemessung und Beförderung. Diese Anerkennung kann vorangebracht werden mittels entsprechender Bildungsangebote für Personalverantwortliche und mittels Publikation von entsprechenden Hilfsmitteln. Für Anstellungen in der Verwaltung kann diese Anerkennung auch durch entsprechende Wiesungen erreicht werden.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modells 10 der Vereinbarkeit. Hier kommt zum Moment der Vereinbarkeit allerdings ein starkes Moment der Reflexion, das einige Verwandtschaft zur «Reflexion der immateriellen Haus- und Familienarbeit» (oben ab Seite 462), teilweise auch generell zu dem dieser Reflexion übergeordneten Modell 5 der «Qualifizierung für Haus- und Familienarbeit» (oben ab Seite 460) hat. Dementsprechend verbinden sich hier positive Auswirkungen der Vereinbarkeit mit positiven Auswirkungen der Reflexion, was vor allem im Bereich der Leitlinien LG, LP und LA, daneben auch im Bereich der Leitlinien LL und LB zu höheren Bewertungen führt.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Bezüglich der Massnahmenkombinationen ist zunächst dasselbe zu sagen wie beim Modell 10. Darüberhinaus wesentlich ist eine Kombination mit einer Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit, damit die Haus- und Familienarbeit im Denkkonzept nicht in eine zweite Zulieferposition gegenüber der Erwerbsarbeit fällt: Nachdem Haus- und Familienarbeit als Regenerations- und Reproduktionsarbeit für die Aufrechterhaltung der Marktproduktion verstanden worden ist, könnte Haus- und Familienarbeit auch noch als unentgeltlicher Lieferant von wesentlichen Qualifikationen für die Erwerbswelt gehandelt werden.
    Das Teilelement dieser Massnahme, welches in Weiterbildungsgängen für Hausfrauen und Hausmänner zur Reflexion und gezielten Aneignung von Kompetenzen aus der Haus- und Familienarbeit besteht, wäre sinnvoll zu kombinieren mit der Massnahme der Supervision. Interessant wäre auch eine Kombination, vielleicht sogar organisatorisch-inhaltliche Verbindung mit der Massnahme «von der Femalie zur Manilie» (siehe unter 5.5.3.7.1 ab Seite 455). Denn diese Massnahme kann zu einem gewissen Teil auch als Qualifikationstransfer von Qualifikationen aus der Erwerbsarbeit («Männlichkeiten») in die Haus- und Familienarbeit verstanden werden. Eine Kombination bzw. Verbindung der Qualifikationstransfers von der Haus- und Familienarbeit zur Erwerbsarbeit könnte zu einem gegenseitigen Qualifikationsaustausch verflochten werden.





    Massnahme 44: Übergänge auf der Grenze zwischen Haus- und Familienarbeit einerseits und Erwerbsarbeit andererseits
    Zwischen Haus- und Familienarbeitswelt und Erwerbsarbeitswelt entstand insbesondere im Anschluss an die Industrialisierung eine zunehmend strikte Trennung. Hier werden wieder mehr Verbindungen und Übergänge geschaffen durch Förderung der Möglichkeit, Präsenz am Erwerbsarbeitsplatz durch Leistungen zuhause zu ersetzen und insbesondere durch die Förderung des Einblickes von Kindern in die (elterlichen) Erwerbsarbeitsplätze und durch die Förderung zeitweiser Aufnahme von Kindern in Betrieben, wie auch immer das dann zu gestalten ist.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Massnahme 10. Deutlich stärker wird hier allerdings der Leitlinie LK entsprochen. Denn Kinder haben vitale Interessen an einem Nicht-Ausschluss aus der Erwerbswelt als einem elementaren Bereich der Gesellschaft.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Zunächst sind hier dieselben Kombinationen wie beim Modell 10 zu nennen. Hier ist die Massnahme der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung besonders bedeutsam.
    Stark synergetisch zu dieser Massnahme sind generell Vereinbarkeitsmassnahmen (siehe unter 5.9 ab Seite 493) und speziell «betriebliche Angebote der Kinderbetreuung» (siehe unter 5.11.3 ab Seite 515) sowie das Konzept einer «neuen Aufteilung, Zielsetzung und Fokussierung der menschlichen Tätigkeitszeit» (siehe unter 5.12.1 ab Seite 530).





    Massnahme 45: Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Bildung
    Ausbildungen werden mit Haus- und Familienarbeit vereinbar gemacht, indem beispielsweise
    – in der Gesamtdauer verlängerte, in der wöchentlichen Zeitbelastung entsprechend verminderte Bildungsgänge («Teilzeitlehren» u. Ä.) eingerichtet werden,
    – Bildungsgänge mehr selbständige Arbeit (zuhause) enthalten und/oder
    – entsprechende familienexterne Kinderbetreuung angeboten oder vermittelt wird.


    Kurzbewertung
    Die Bewertung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Modells 10 der Vereinbarkeit. Darüber hinaus ermöglicht es die Kombination von Ausbildungsgängen mit Erziehungs- und Betreuungsarbeit, teilweise brachliegende Fähigkeiten von Hausfrauen und Hausmännern zu aktivieren (vor allem im Bereich abstrakter intellektueller Herausforderungen) und damit spezifische Unterforderungsmomente der Haus- und Familienarbeit auszugleichen. Zugleich wird in einer Phase des Ausstiegs aus der Erwerbswelt ein qualifizierterer Einstieg vorbereitet.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Die Massnahmenkombinationen entsprechen zunächst den beim Modell 10 angemerkten. Darüber hinaus sind Massnahmen mitzuergreifen, welche die Ressourcen derjenigen Hausfrauen und Hausmänner, welche diese Tätigkeit mit Bildung verbinden wollen, vergrössern. Dazu gehören «haus- und familienarbeitsfreundliche Gestaltung von Kindergarten und Schule» (siehe unter 5.7.5 ab Seite 480), das Modell 7 der «Reduktion der kernfamiliären Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.8 ab Seite 482), darunter speziell «ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) und «Angestellte des privaten Haushaltes» (siehe unter 5.8.2 ab Seite 486).
    Für die Phase der Einführung und ersten Konsolidierung solcher haus- und familienarbeitskompatiblen Ausbildungsgänge könnte eine Verbesserung der Akzeptanz der Verbindung von Haus- und Familienarbeit mit Bildung wichtig sein. Eine Verstärkung dieser Akzeptanz wäre beispielsweise im Rahmen der Massnahme «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538) möglich.





    Massnahme 46: Neuaufteilung der menschlichen Tätigkeitszeit nach Ruh
    Im Konzept von Ruh wird der Dualismus von Arbeit und Freizeit aufgesprengt. Ein differenzierteres Denken, welches die menschlichen Tätigkeiten aufteilt in Freizeit, monetarisierte Arbeit, Eigenarbeit, obligatorische Sozialzeit, informelle Sozialzeit, Ich-Zeit und Reproduktionszeit wird verbreitet. Mit dieser Neuaufteilung der menschlichen Tätigkeitszeit verbindet sich ein neues Konzept der gesellschaftlichen Bewertung und Organisation von Arbeit überhaupt. Reproduktionsarbeit und generell Orientierung am menschlichen Wohlergehen wird aufgewertet. Erwerbsarbeit behält einen wichtigen Stellenwert, zugleich werden negative Auswirkungen des Arbeits- und Produktemarktes begrenzt und kompensiert.


    Bewertung der Massnahme 46
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + + ++ ++ ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Das Modell von Ruh intendiert eine gleichmässige Verteilung der Tätigkeiten unter den Geschlechtern. Es sind keine geschlechtsspezifischen Unterschiede vorgesehen. Ausserdem wertet dieses Modell «weibliche» Tätigkeitsbereiche auf und ordnet die Erwerbsarbeit (der «männliche» Tätigkeitsbereich) ohne jede Vorrangstellung in die sechs anderen Tätigkeitsarten ein.
  • Diese Massnahme berücksichtigt Kinderinteressen und -mitspracherechte nicht als solche. Dass die Reproduktionsarbeit (nicht die Haus- und Familienarbeit als Ganzes, sondern spezifisch die Erziehungs- und Betreuungsarbeit) explizit und gleichgestellt genannt wird, trägt indirekt, aber deutlich zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Bedeutung von Kindern bei.
  • Die Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit geschieht hier zur Hälfte. Die Haus- und Familienarbeit für Kinder wird als Reproduktionsarbeit anerkannt. Die Haus- und Familienarbeit für Erwachsene – zeitaufwandmässig gesamtgesellschaftlich wohl eher die grössere Hälfte – scheint im Modell zu fehlen.
  • Die Sozialzeit ist ein zentraler Teil des Konzeptes von Ruh. Damit wird die Wahrnehmung der Bedeutung eines sozialen Gefüges aufgewertet. Dafür wird ausdrücklich Zeit eingeräumt. Ausserdem wird von einer stark reduzierten, dabei sehr flexiblen Normalarbeitszeit ohne Unterschiede für Frauen und Männer ausgegangen und einer entsprechenden Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit. Der Isolation von Hausfrauen und Hausmännern und der Hierarchisierung der Geschlechterbeziehungen wird damit deutlich entgegengewirkt. Quantität und Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen dürften damit wesentlich verbessert werden.
  • Dieses Modell erlaubt eine Emanzipation aus einer einseitig auf die Erwerbsarbeit abgestützten Identität und regt stark an zu eigenständigen Persönlichkeitsentwicklungen.
  • Der Arbeitsbegriff wird in diesem Modell sinnvoll erweitert und die je für jede Art von Arbeit angemessene Bewertung wird greifbar.
  • Dieses Modell betrifft «Familie» nicht direkt, schafft jedoch in verschiedener Hinsicht bessere Voraussetzungen für die Gleichstellung der Familienformen.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist, dass die Bedeutung Haus- und Familienarbeit in diesen Modellen und in ihren Perzeptionen richtig eingeschätzt wird. Dazu trägt der «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372) bei, ausserdem unterstützen das die Massnahmen «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542), «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538) und «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule» (siehe unter 5.13.1.2 ab Seite 540). Sehr synergetisch verhält sich dieses Modell mit der Massnahme «Förderung nicht erwerbsarbeitszentrierter Identitätsbildungen» (siehe unter 5.2.3 ab Seite 379).





    Massnahme 47: Einführung eines Grundeinkommens
    Unsere Gesellschaftsform macht die Menschen prinzipiell und allgemein abhängig von der Erwerbsarbeit. Diese Abhängigkeit ist keine relative, sondern eine existenzielle. Wie sinnvoll das letztlich ist, kann gefragt werden. Diese existenzielle Abhängigkeit kann aufgelöst werden durch die Einführung eines «Grundeinkommens». Hier wird ein Existenzminimum unabhängig von Erwerbsarbeit sichergestellt, indem ohne jede Diskriminierung der gesamten Bevölkerung monatlich ein entsprechender Betrag ausbezahlt wird. Finanziert wird diese Auszahlung durch die Abschaffung verschiedener anderer Zahlungen (gesamte Sozialhilfe, gesamte Stipendien, gesamte AHV usw.) und durch zusätzliche Abgaben.


    Bewertung der Massnahme 47
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + ++ + + ++ ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Die Auswirkungen auf die Geschlechtergleichheit sind äusserst schwer abzuschätzen. Zwar lassen die genannten amerikanischen Erfahrungen eine Verstärkung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung befürchten. Aber diese Verstärkung ist unsicher. Sicher ist hingegen, dass es mit einem Grundeinkommen keine existenzielle materielle Abhängigkeit der Frauen von den Männern mehr gibt. Diese nach Welter-Enderlin prinzipiellste Abhängigkeit der Frauen von Männern (siehe oben Seite 440) wird aufgehoben und damit ein entscheidender Stabilisationsfaktor herkömmlicher Geschlechterverhältnisse. Dass ein Grundeinkommen weibliche finanzielle Unabhängigkeit herstellt – ein Faktor, der andernorts von Männern auch als recht bedrohlich wahrgenommen zu werden scheint –, haben die Männer in ihrer Diskussion über das Grundeinkommen interessanterweise bisher nicht diskutiert.
    Die existenziell-finanzielle Unabhängigkeit der Frau ist die sicherste Wirkung auf das Geschlechterverhältnis. Weitere Auswirkungen eines Grundeinkommens sind diskutabel, aber unsicher. Daher wird hier eher vorsichtig nur mit einem «+» bewertet.
  • Mit einer allgemeinen materiellen Existenzsicherung kann insbesondere der Armut durch Elternschaft die Spitze genommen werden. Dies verbessert die Lebensbedingungen vieler Kinder deutlich. Da pro Kopf, also auch für Kinder, ein bestimmter (für Kinder eventuell reduzierter) Betrag ausbezahlt wird, wird der Tatsache, dass auch Kinder Menschen mit prinzipiell gleichen Rechten sind, in Franken und Rappen Ausdruck verliehen. Damit entsteht eine gewisse Verwandtschaft zum «Ehrenfest-Plan» (siehe oben unter 5.3.5 ab Seite 401).
  • Die Leistung der Haus- und Familienarbeit wird als solche nicht anerkannt, ausser wenn in der Diskussion, welche zu einer Einführung eines Grundeinkommens führen würde, das Grundeinkommen im Sinne von Ruh verstanden würde als allgemeine Minimalanerkennung gesellschaftlich relevanter, aber bisher unbezahlter Leistungen. Wenn dies unterbleiben würde und flankierende Massnahmen in diese Richtung ebenfalls fehlen würden, wäre sogar eine Verstärkung der Verborgenheit der Haus- und Familienarbeit zu befürchten. Ein Grundeinkommen nivelliert eben erklärtermassen die Leistungen der Personen zugunsten der Gesellschaft und stellt, pointiert formuliert, 80 Wochenstunden Haus- und Familienarbeit 80 Wochenstunden Nichtstun gleich.
    Möglicherweise ergibt sich eine latente Aufwertung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit daher, dass auch an Kinder ein Grundeinkommen ausbezahlt wird.
    Hinzuweisen ist darauf, dass ein Grundeinkommen Ernst macht mit der in der Leitlinie LL formulierten ethischen Zielsetzung, dass es leistungsunabhängige Rechte gibt, zu denen das Recht auf eine minimale, aber würdige materielle Existenz gerechnet werden kann. In diesem Sinn ist das Grundeinkommen hier mit einem «+» zu bewerten.
  • Erler (1986, 122–130) befürchtet eine Abnahme personaler Solidarität von Männern gegenüber Frauen infolge der verstärkten Verborgenheit der Leistung der Haus- und Familienarbeit und der Möglichkeit, sich mit dieser allgemeinen Existenzsicherung von familiären materiellen Verpflichtungen quasi loszukaufen. Meines Erachtens werden Beziehungsqualitäten durch die Herstellung materieller Unabhängigkeit allerdings eher verbessert.
    Sicherlich Recht hat Erler darin, dass ein fairer Umgang mit realen Abhängigkeiten in Beziehungen eine soziale Kompetenz und Beziehungsqualität ist, von der mehr zu wünschen als anzutreffen ist. Wo diese Kompetenz fehlt, ist es allerdings doch wohl wünschenswerter, belastende Abhängigkeiten wo möglich aufzulösen.
    Tatsache bleibt im Sinne Erlers, dass in einer individualisierten und in vielen Bereichen stark konkurrenzorientierten Gesellschaft eine Auseinandersetzung mit basalen menschlichen Abhängigkeiten wesentlich wäre (vgl. oben unter der Leitlinie LB, insbesondere die Ausführungen in Anschluss an Weder). Der Umgang mit existenziellen materiellen Abhängigkeiten wird durch diese Massnahme kollektiviert. Auch das kann als aktiver und bewusster Umgang mit menschlichen Abhängigkeiten verstanden werden. Schliesslich, und das scheint mir hier der Hauptpunkt zu sein, ist gegenseitige materielle Unabhängigkeit eine Basis für gute Beziehungsqualitäten. Eher vorsichtig bewerte ich hier insgesamt mit «+».
  • Die existenzielle Abhängigkeit von der Erwerbswelt zwingt die Individuen, der Erwerbsarbeit einen zentralen Platz in der eigenen Identität einzuräumen. Ein Grundeinkommen schafft die reale Basis für eine breitere und flexiblere Identität mit all ihren Vorteilen.
  • Die Entkoppelung von Arbeit im herkömmlichen Sinne von der materiellen Existenzsicherung ergibt ein stimmigeres Gesamtkonzept menschlichen Tätigseins und Arbeitens.
  • Es entstehen wesentlich vergrösserte Spielräume für innovative Lebensformen. Das Risiko eines materiell existenzbedrohenden Scheiterns von Wohn- und Lebensformen ist aufgehoben.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese Massnahme könnte Haus- und Familienarbeit herabsetzen, da mit ihr die allgemeine Existenzsicherung einer Gegenleistung für Haus- und Familienarbeit vorgezogen wird. Haus- und Familienarbeit läuft damit Gefahr, einer Freizeitbeschäftigung gleichgestellt zu werden. Wichtig ist daher eine Kombination mit Massnahmen wie dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), «Förderung nicht erwerbsarbeitszentrierter Identitätsbildungen» (siehe unter 5.2.3 ab Seite 379), «Erziehungsgehalt» (siehe unter 5.3.3 ab Seite 395) und «Quotierung von Haus- und Familienarbeit Leistenden in politischen Gremien» (siehe unter 5.5.3.3 ab Seite 445), was zugleich eine gewisse Wirkung in Richtung einer Gleichverteilung der Haus- und Familienarbeit unter den Geschlechtern mit sich bringen dürfte.
    Wüthrich (a.a.O., 36) legt besonderes Gewicht darauf, dass ein Grundeinkommen zwar die materielle Situation von Frauen verbessert, aber noch nicht ihre umfassende «Teilhabe» an den verschiedenen Teilbereichen von «Öffentlichkeit» realisiert. Daher ist eine Kombination mit Massnahmen der Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit mit Erwerbsarbeit (siehe unter 5.9 ab Seite 493) zumindest wünschenswert.





    Massnahme 48: Förderung kompetenter Einflussnahme auf Wertsetzungen
    Organisationen, die rund um die Haus- und Familienarbeit direkt praktisch aktiv sind, haben meist wenig Möglichkeiten, ihr spezielles, an sich sehr bedeutsames Wissen und ihre Erfahrung in die öffentliche Diskussion einzubringen. Daher wird finanzielle, infrastrukturelle und/oder fachliche Unterstützung geschaffen für Medien- und Bildungsarbeit von Institutionen, die im weit gefassten Bereich rund um die Haus- und Familienarbeit praktisch tätig sind (also weniger für Dachorganisationen, Parteien u.ä., sondern mehr für Beratungsinstitutionen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Frauenhäuser etc.).


    Bewertung der Massnahme 48
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ + ++ ++ ++ ++ ++ ++


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Von einer Förderung der offenen und möglichst öffentlichen Diskussion über Themen im Familienbereich sind wesentliche Gleichstellungsimpulse zu erwarten.
  • Wenn sich Institutionen, die wirklich mit Kindern arbeiten, öffentlich zu Wort melden, geschieht dies meist im guten Interesse der Kinder und ihrer Ernstnahme. Viele von denen, die intensiv mit Kindern arbeiten, verlieren die Verinnerlichung der gesellschaftlichen Diskriminierung von Kindern und können Fähigkeiten und Bedürfnisse von Kindern kompetent vertreten.
    Allerdings ist anzunehmen, dass Kinder zumindest kurz- und mittelfristig höchstens Thema der Medien- und Bildungsarbeit wären, aber weder direkt und selber Subjekte noch direkt und selber Adressatinnen und Adressaten.
  • Diese Massnahme trägt zur sachgerechten Wahrnehmung gesellschaftlich relevanter Arbeit bei a) indem sie den Bereich der Haus- und Familienarbeit beleuchtet und gezielt an die Öffentlichkeit bringt und b) indem sie die oft ebenfalls nicht wahrgenommenen Leistungen der betreffenden Institutionen zeigt.
  • Soweit Medien- und Bildungsarbeit diskursorientiert sind, stellen diese ganz allgemein Beziehungen her und tragen sie zur Bildung von Beziehungskompetenzen bei. Konkret wird diese Massnahme oft strukturelle Ursachen von Beziehungsschwierigkeiten ebenso wie von Isolation ans Licht bringen und so Verbesserungsmöglichkeiten eröffnen.
  • Die Massnahme ist geeignet, Hinweise zu verbreiteten Persönlichkeitsschwierigkeiten und Impulse für sinnvolle Persönlichkeitsentwicklungen zu geben.
  • Diese Massnahme dürfte von den verschiedensten Seiten her Diskussionen zum Arbeitsbegriff auslösen und eine Infragestellung des enggeführten Arbeitsbegriffes provozieren.
  • Diese Massnahme kann wesentlich dazu beitragen, dass Chancen wie Problematiken sowohl eher herkömmlicher wie eher progressiver Familienformen kompetent dargestellt werden und die Pluralisierung der Familienformen gangbarer gemacht wird.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese Massnahme verbindet sich positiv mit jeder anderen positiv zu bewertenden Massnahme, wird aber nicht allzusehr gehemmt, wenn sie als Einzelmassnahme realisiert wird. Nicht wenige der mit dieser Massnahme angesprochenen Institutionen werden ganz oder teilweise ehrenamtlich geführt – gerade von Personen, die selber mitten in der Haus- und Familienarbeit stehen – und leben mit sehr knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Wesentlich kann daher die Kombination mit Massnahmen sein, welche gerade diesen Personen auch die Ressourcen für die zusätzliche Medien- und Bildungsarbeit verschaffen. Dazu gehören «Modell 4: gerechte Verteilung der Haus- und Familienarbeit zwischen Frau und Mann» (siehe unter 5.5 ab Seite 422), «Ausserfamiliale Lebenswelten für Kinder» (siehe unter 5.8.1 ab Seite 482) und «Einführung eines Grundeinkommens» (siehe unter 5.12.2 ab Seite 533). Sehr synergetisch verhält sich diese Massnahme mit «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542). Forschung kann Inhalte zur Öffentlichkeitsarbeit von Institutionen beitragen, auch kritisieren und umgekehrt können Forschungsresultate durch diese Kombination mit Medien- und Bildungsarbeit an Bekanntheit gewinnen.





    Massnahme 49: Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule
    Gegenstände und Tätigkeiten aus dem Feld der Haus- und Familienarbeit werden bisher im Unterschied etwa zu industriellen Maschinen und zu Prozessen aus der Erwerbswelt kaum als Beispiele und Themen in den verschiedenen Fächern der Volksschule herangezogen. Daher werden Unterlagen für die Thematisierung der Haus- und Familienarbeit in den verschiedensten Fächern der Volksschule erarbeitet und unter den Lehrkräften bekannt gemacht.
    Die Unterlagen werden für die Lehrkräfte als praktische, die Vorbereitung entlastende, den Unterricht interessant und lebensnah gestaltende Hilfsmittel konzipiert, welche für die verschiedenen Fächer unterschiedliche Form annehmen können: Für die Mathematik sind Sammlungen origineller Aufgaben aus der Welt der Haus- und Familienarbeit für die verschiedenen Stufen denkbar, für Physik- und Chemieunterricht Aufgaben und Experimente (Stichworte Haushaltmaschinen, Reinigung, speziell Fleckenentfernung, Koch- und Nahrungsmittelchemie usw.), für den Geschichtsunterricht ein Block zur Geschichte der Haus- und Familienarbeit mit den entsprechenden Verknüpfungen zu wichtigen Punkten des bisherigen Geschichtsstoffes, für lebenskundliche Fächer etwa entsprechend aufbereitete Ergebnisse der Genderforschung, für den hauswirtschaftlichen (oder auch politischen!) Unterricht Gesprächsgrundlagen zur gesellschaftlichen Funktion und zu den strukturellen Problemen der Haus- und Familienarbeit, um einige mögliche konkrete Beispiele zu nennen.


    Bewertung der Massnahme 49
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    ++ 0 (+) ++ + ++ ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme leistet durch die Beschäftigung mit Gleichstellungsthemen einen Beitrag zur Geschlechtergleichheit im Sinne der Leitlinie LG.
  • Hierauf sind kaum Wirkungen zu erwarten. Doch haben die Thematiken, welche durch diese Massnahme in der Schule vermehrt angesprochen werden, den (auch pädagogischen) Vorteil, der unmittelbaren Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler zuzugehören. Die erworbenen Kenntnisse sind in der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder nutzbar und tragen so zur Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler bei.
  • Die Anerkennung der Leistung der Haus- und Familienarbeit wird entscheidend verbessert, wenn sie im Schulunterricht die Beachtung erhält, die ihrer gesellschaftlichen Bedeutung wenigstens einigermassen entspricht.
  • Hierauf dürften kaum direkte Auswirkungen zu erwarten sein. Indirekte sind zweierlei zu nennen: 1. Mit diesen lebensnahen Unterrichtsthemen werden Gespräche über Persönliches und Menschliches wesentlich stärker angeregt als durch die Wahl lebensweltfernerer Thematiken (etwa von historischen Kriegen oder Architekturen). Zwischenmenschliche Beziehungen entstehen eher und können auch eher Thema werden. 2. Haus- und Familienarbeit wird Thema. Dies vermindert die isolierende Wirkung (vgl. oben unter 3.4.1 ab Seite 101) dieser Arbeit, welche auch mit ihrer Tabuisierung (vgl. oben unter 2.4.4.3 ab Seite 63) zusammenhängt.
  • Dass hier Elemente aus der unmittelbaren Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler thematisiert werden, bringt verschiedene Möglichkeiten mittelbarer und unmittelbarer eigenständiger Anwendungen mit sich. Die Planung einer selbständigen Haushaltsführung, auch möglicher Haushaltszusammensetzungen und möglicher Arbeitsteilungen werden realistischer. Damit wird ein äusserer Aspekt von Selbständigkeit gefördert, welcher durchaus mit der Entwicklung von innerer Selbständigkeit und von eigenständiger Wahrnehmung eigener Bedürfnisse korrespondiert.
  • Dass Haus- und Familienarbeit genauso Unterrichtsthema ist wie Erwerbsarbeit, auf welche die Unterrichtsfächer bisher primär ausgerichtet zu sein scheinen, führt zu einem integraleren und auch wertmässig schlüssigeren Arbeitsbegriff. – Der Arbeitsbegriff könnte übrigens selber auch zum Thema gemacht werden.
  • Auch auf Familienkonzepte und -wertungen dürfte sich diese Massnahme – allerdings in zweiter Linie – auswirken, gerade wenn Geschlechter- und Arbeitsthematiken in die Unterrichtsmaterialien einbezogen werden.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Diese Massnahme ist mit jeder anderen gut kombinierbar, ist aber auch relativ unabhängig von anderen Massnahmen, unter anderem deshalb, weil sie nicht wie die meisten anderen Massnahmen sich primär an die Erwachsenen, sondern hier an Kinder und Jugendliche richtet.
    Wesentlich ist eine Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), damit der Grund für die stärkere Thematisierung dieses Arbeits- und Lebensbereiches deutlich bleibt, sowie mit «Quermodell 2: Forschung zur Haus- und Familienarbeit» (siehe unter 5.13.2 ab Seite 542), damit die Unterrichtsinhalte genügend reflektiert sind und keine falschen Informationen oder problematischen Normen transportieren – und damit überhaupt genügend gutes Material vorhanden ist, das dann didaktisch aufbereitet werden kann.
    Synergetisch verhält sich diese Massnahme mit der «haus- und familienarbeitsfreundlichen Gestaltung von Kindergarten und Schule» (siehe unter 5.7.5 ab Seite 480). Mit ihr zusammen ist ein deutlicher Gewinn an Glaubwürdigkeit zu erreichen. Denn es wäre spannungsvoll, Haus- und Familienarbeit im Unterricht zu thematisieren, zugleich aber Gegebenheiten der Schule, welche für Hausfrauen und Hausmänner problematisch sind, diskussionslos beizubehalten.





    Massnahme 50: Forschung zur Haus- und Familienarbeit
    An einer der schweizerischen Universitäten wird ein Lehrstuhl geschaffen, der mit haushaltswissenschaftlichen Fragestellungen betraut wird. In der Forschung nimmt er pendente und neue Fragestellungen in Angriff. In der Lehre bildet er unter anderem Dozentinnen und Dozenten für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Bereich Hauswirtschaft aus. Zugleich entsteht so eine zentrale Stelle des Informationsaustausches für Forscherinnen und Forscher rund um ökotrophologische (haushaltwissenschaftliche) Thematiken, welche an anderen Stellen (Universitäten, Stiftungen usw.) arbeiten und natürlich für Nutzerinnen und Nutzer der Forschungsresultate.


    Bewertung der Massnahme 50
    LG LK LL LB LP LA LF Total:
    + 0 ++ 0 (+) ++ ++ + +


    Erläuterungen zur Bewertung
  • Diese Massnahme hat keinen direkten Einfluss auf die Geschlechtergleichstellung, allerdings einen starken indirekten. Thematiken aus der traditionell «weiblichen» Lebenswelt erfahren eine starke Aufwertung. Die Beschäftigung mit diesen Thematiken eröffnet nun ebenfalls die Möglichkeit einer universitären Karriere.
  • Diese Massnahme hat darauf kaum Einfluss.
  • Die Anerkennung der Haus- und Familienarbeit als Leistung wird in dieser Massnahme sehr ausgeprägt realisiert.
  • Hier sind jedenfalls kurz- und mittelfristig kaum Wirkungen zu erwarten. Langfristig ist denkbar, dass durch die mit dieser Massnahme verbundene Veränderung der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Bereich Hauswirtschaft und die entsprechenden Veränderungen im Volksschulunterricht Einflüsse auf die Geschlechterthematik und auf Arbeitsstile von Haus- und Familienarbeit entstehen, welche Beziehungsqualitäten verbessern (teilweise ähnlich wie eben oben bei der Massnahme «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule»).
    Wenn entsprechend gearbeitet wird, schafft die hier geförderte Forschung auch Sprache für die Erfahrungen von Hausfrauen und Hausmännern und vermindert so durch «Trivialisierung» (vgl. den Begriff der «Enttrivialisierung des Hauswirtschaftlichen» bei Praetorius 1997, 82; vgl. auch dies. 1998a und b und besonders ausführlich dies. 1995, 58–65) geschaffene Isolation.
  • Die prominente Thematisierung von Haus- und Familienarbeit auf universitärer Stufe ist geeignet, die mit unserer gesellschaftlichen Strukturierung von Geschlecht und Haus- und Familienarbeit verbundenen Persönlichkeitsentwicklungsdefizite greifbar zu machen und sinnvolle strukturelle und individuelle Reaktionen auszuarbeiten.
  • Denkbar ist, dass in der mit dieser Massnahme geförderten Forschung zusammengearbeitet wird mit Professuren und Instituten (beispielsweise aus den Bereichen Arbeitspsychologie und Ökonomie), welche sich bisher bereits dem Thema Arbeit, allerdings unter Verwendung eines engen, auf die Erwerbsarbeit eingeschränkten Arbeitsbegriffes, gewidmet hatten. Dies dürfte entscheidend zur Erarbeitung und Durchsetzung eines schlüssigeren Arbeitsbegriffes beitragen. Aber auch die spezifische Forschungstätigkeit zur Haus- und Familienarbeit wird, wie bereits bisherige Forschungen (vgl. z.B. Resch 1996) gezeigt haben, sich immer wieder mit dem Arbeitsbegriff auseinandersetzen und seine Fortentwicklung befruchten.
  • Hierauf sind, jedenfalls zunächst, etwas weniger Wirkungen zu erwarten. Wenn an diesem Lehrstuhl allerdings Fragestellungen zu Familie und Familienformen aufgegriffen werden, dann dürfte sich das deutlich im Sinne der Leitlinie LF auswirken.


    Sinnvolle Massnahmenkombinationen
    Wesentlich ist die Kombination mit dem «Einbezug der Wertschöpfung der Haus- und Familienarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung» (siehe unter 5.2.1 ab Seite 372), damit die Bedeutung dieser Forschungen von vornherein deutlich ist. Synergetisch verhält sich diese Massnahme mit «Bildung eines Konsensgremiums für die Einführung einer Elternschaftsbeurlaubung» (siehe unter 5.4.5.1 ab Seite 417), «Förderung kompetenter Einflussnahmen auf Wertsetzungen» (siehe unter 5.13.1.1 ab Seite 538) und «Erstellung didaktischer Unterlagen zur Haus- und Familienarbeit für die Volksschule» (siehe unter 5.13.1.2 ab Seite 540), da in diesen drei Massnahmen Forschungsresultate eines haushaltswissenschaftlichen Lehrstuhls konkret zur Wirkung kommen können.




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